Nicht „schön“ genug: 1.5 Millionen Tonnen Kartoffeln werden jährlich aussortiert
Wie verschwenderisch wir mit unseren Lebensmitteln sind, verrät unser Umgang mit Kartoffeln: Laut „WWF“ landen 60.000 LKW-Ladungen der geernteten Erdäpfel nicht auf dem Teller, weil sie vorher aussortiert werden. Der Grund dafür sind banale, oberflächliche Qualitätsstandards.
Auf dem Weg vom Acker zum Teller gehen neusten Schätzungen des „WWF“ zufolge jährlich rund 1,5 Millionen Tonnen aller in Deutschland gezogenen Kartoffeln verloren. Schon bei den Bauern würden etwa 750.000 Tonnen aussortiert. Denn der Handel nimmt nur Knollen ab, die den Vorstellungen des Kunden entsprechen.
Kleine Makel genügen
„Kartoffeln sollten eiförmig sein, eine bestimmte Farbgebung, eine makellose Schale und eine bestimmte Größe haben“, beschreibt die Organisation die nach Ansicht der Verkäufer optimale Ware. Sind sie zu klein, zu groß oder mit optischen Makeln wie Schorf oder Verfärbungen behaftet, würden Speisekartoffeln abgewertet und aussortiert. Dass das Aussehen in der Regel keinen Einfluss auf den Geschmack hat, ist dabei irrelevant.
Waschvorgang mit Folgen
Der zweite große Teil der Ernte geht nach Recherchen des „WWF“ nach dem üblich gewordenen Waschvorgang verloren. Durch die Reinigung käme es immer wieder zu Beschädigungen und Pilzbefall. Vor allem aber wird die dünne Erdschicht von der Knolle gelöst.
Dadurch würden nicht nur Verfärbungen und andere Schönheitsfehler besser sichtbar: Die Ernte sei in erster Linie nicht mehr vor Licht geschützt. Das wiederum verringert die Lagerzeit, da das Licht Keimprozesse und die Bildung des giftigen Solanins fördert. Das könne auch bei der Abpackung in Netzen oder teildurchsichtigen Plastikbeuteln passieren, ergänzen die Naturschützer des „WWF“.
Nachteil für Bio-Bauern
Letztendlich kämen aufgrund der Nachbehandlung der Kartoffeln weitere rund 700.000 Tonnen Süßkartoffeln aus konventionellem und bis zu 50.000 Tonnen aus ökologischem Anbau nicht in den Verkauf. „Der größte Teil der eigentlich hochwertigen Knollen werden dann entweder zu Bioenergie, Tierfutter oder industrieller Stärke verramscht“, so die Stiftung.
Und weiter: „Gängige Praxis ist es darüber hinaus, dass die Erzeuger nur für jenen Anteil der Ware die vereinbarten Preise erhalten, die den Qualitätsanforderungen genügen.“ Dies benachteilige insbesondere die ökologische Landwirtschaft.
Ohne Chemie ist das Wachstum nämlich schwerer zu kontrollieren und es treten häufiger „Mängel“ wie Schalenfehler oder Deformierungen auf. Und wer keine fehlerfreien Lebensmittel liefern kann, geht im schlechtesten Fall eben leer aus oder muss sie Drittverwertern zu Dumpingpreisen anbieten.
Politik soll Verschwenung entgegentreten
Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels rechtfertigt seine Anforderungen mit dem Verweis auf die gemeinsam mit den Erzeugern festgelegten Qualitätsklassen, die höheren Preise für „gut aussehende Kartoffeln“ und die wählerischen Verbraucher.
Eine Lösung für das eigentliche Problem – die Nahrungsmittelverschwendung – bieten sie allerdings nicht an. Daher fordert der „WWF“ am Ende seines Berichts die Politik abermals dazu auf, eine nationale Strategie zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen zu entwickeln und umzusetzen.