Ist der Kauf einer Bio-Zitrone aus Sizilien ökologisch sinnvoll?
Ist „Discounter-Bio“ „richtiges“ Bio und kann man es guten Gewissens kaufen? Ist Bio gut für den ökologischen Fußabdruck? Und ist es nachhaltig, Biogemüse zu kaufen, das 2500 Kilometer durch Europa gefahren werden muss? Spannende Bio-Fragen.
Deutschland importiert. Auch viel Bioware, weil die hiesigen Landwirte trotz steigender Nachfrage ihre Produkte nicht biologischer produzieren. Bio-Produkte machen 4,4 Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes in Deutschland aus. Deutschlandweit gibt es 24,343 Bio-Höfe, was 9 Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe entspricht. Im Vergleich zu 2014 wurde 2,9 Prozent mehr Fläche ökologisch bewirtschaftet, insgesamt 1,077,950 Hektar.
2015 betrug der Umsatz der Bio-Industrie 8,62 Mrd. Euro, 11 Prozent mehr als 2014. Dieses Bild zeigen die Bio-Statistiken auf foodwatch.org. Trotz oder gerade wegen diesen beeindruckenden Zahlen importiert Deutschland fleißig. Weil bei uns beispielsweise nicht das ganze Jahr über Zitronen heranreifen. Unsere Lieblings Bio-Zitrusfrüchte kommen aus Sizilien, Kartoffeln aus Ägypten und Israel, Gurken vom Rand der Sahara: Wo bleibt da die Nachhaltigkeit? Der Spiegel stellt die Frage, ob es ökologisch sinnvoll ist, die Bio-Zitrone aus Sizilien zu kaufen.
2500 Kilometer bis ins deutsche Regal
Grundsätzlich kann man die Frage mit JA beantworten. Es gibt allerdings einige Faktoren, die dieses JA relativieren. Für die Import-Bioware spricht, dass biologischer Landbau gesünder für die Umwelt ist. Öko-Landbau bedeutet mehr als „keine Pestizide.“ Der biologische Landbau arbeitet mit in sich geschlossenen Kreisläufen: Boden, Tiere, Pflanzen bilden eine Einheit. Während der konventionelle Anbau den Kreislauf nicht schließt und beispielsweise herkömmlichen Dünger verwendet, im Gegensatz zum Bio-Landbau auf natürliche Wachstumshelfer – beispielsweise Kompostsysteme – zurückgreift. Und dieses „gesünder für die Umwelt“ ist es wert. In Sachen Bodenschutz, Tierschutz und Fairness sollte man nicht länderspezifisch denken, sondern global. Je mehr Anbauflächen geschützt und biologisch bewirtschaftet werden, desto besser.
Doch die Frage, ob man regional und konventionell oder bio und dafür importiert kaufen soll, bleibt. Beispielsweise ist der Wasserverbrauch in den letzten Jahren gestiegen und durch den vermehrten Arbeitsaufwand gibt es auch in der Bio-Industrie Dumpinglöhne, denn die massivere Nachfrage kann laut dem oben zitierten Artikel des Spiegels nur mit Großbetrieben befriedigt werden. Von der Illusion vom idyllischen Klein-Biobauern müssen wir uns scheinbar verabschieden.
Warum Bio kaufen?
Der aid-Infodienst stellt im Internet ein ausführliche PDF-Dokument über Bio-Lebensmittel zur Verfügung. Es beantwortet auch die Frage, warum Verbraucher Bio kaufen. Häufig sind es gesundheitsorientierte Konsumenten, die sich mit ihren Lebensmitteln nicht die handelsüblichen Schadstoffe zuführen wollen. Diese Menschen sind sich oft auch bewusst, welche Schäden die konventionelle Landwirtschaft anrichtet.
Zudem ist es belegt, dass Bio-Lebensmittel tatsächlich gesünder sind und oftmals auch geschmacklich überragen. Da auch Allergien (auf Pesti- und Herbizide) und Lebensmittelunverträglichkeiten zunehmen, steigen viele Verbraucher auf Bio um, denn Bio-Food ist für Menschen, die auf Zusatzstoffe allergisch reagieren, die einzige Alternative. Zudem verzichtet Bio komplett auf Gentechnik, was ein weiteres Argument ist.
„Discounter-Bio:“ Kann ich Bio beruhigt bei Aldi & Co. kaufen?
In dem Spiegel-Artikel wird in dem Zusammenhang ein Demeter-Bauer zitiert: „Ich würde niemals bei Aldi Bio kaufen, weil diese Produkte genauso industriell hergestellt werden wie herkömmliche“, schimpft er. Die Menschen denken, dass Gemüse, das so billig ist, nur unter industriellen Bedingungen wie die Normalo-Ware wächst. Stimmt das denn?
Wenn die Produzenten bio-zertifiziert sind und sich an die gängigen Richtlinien halten, stimmt das nicht. Denn die Bio-Richtlinien sind sehr streng.
Allerdings: Seit das Preisdrücken durch Aldi, Lidl & Co. auch die Bio-Industrie erreicht hat, sollten wir als Verbraucher stets die Augen und Ohren offenhalten: Laut dem Spiegel sind die Großkunden nicht immer bereit, angemessene Preise zu zahlen.
Regional und bio – der beste Weg?
Also macht es doch am meisten sinn, regional und bio zu kaufen. Die regionale Herkunft ist für die Konsumenten glaubwürdiger, so bekommt das Wort Öko auch wirklich eine Bedeutung. Die Begriffe „Bio“ und „Öko“ stehen laut dem aid-Infoblatt für Transparenz, Nähe, Vertrauen, Rückverfolgbarkeit und verantwortungsvolle Produktion. Durchaus Sinn machen die kurzen Transportwege der regionalen Ware, denn das sichert Umwelt- und Klimaschutz durch geringere Schadstoffbelastung.
Zudem sollte man den gesundheitlichen Aspekt nicht außer Acht lassen: Gemüse und Früchte, die reif geerntet werden, frisch beim Verbraucher ankommen und nicht erst im Laden oder zu Hause nachreifen müssen, sind bekömmlicher als unreife Lebensmittel.
Allerdings relativiert der Spiegel die Vorstellung, dass regional immer besser ist. Er schreibt: „Eine Kirschtomate, die in einem vollgepackten Lkw 2000 Kilometer aus Sizilien kommt, hat mitunter die bessere CO2-Bilanz als eine, die im halbleeren Kleintransporter aus der Region angefahren wird – denn der Anbau in beheizten Gewächshäusern treibt den CO2-Verbrauch gleich um ein Vielfaches in die Höhe. Wer allerdings zum Einkaufen mit dem eigenen Auto 30 Kilometer zum bäuerlichen Hofladen fährt, hat die Klimabilanz sowieso versaut.“
Anscheinend gibt es nur einen richtigeren Weg: Drahtesel satteln und zum Bio-Hof des Vertrauens radeln.