Glyphosat-Zulassung: Wurde im EU-Bericht von „Monsanto“ abgeschrieben?
Im November will die EU entscheiden, ob das umstrittene Herbizid Glyphosat weiter zugelassen werden soll. Ausschlaggebend könnte ein Gutachten einer deutschen Behörde sein, demzufolge keine Gefahr von dem Giftstoff ausgeht. Jetzt kommt heraus: Wesentliche Teile dieser Beurteilung soll das Amt aus dem Zulassungsantrag von Glyphosat-Hersteller „Monsanto“ abgeschrieben haben.
Stellt Glyphosat – das weltweit am häufigsten eingesetzte Unkrautvernichtungsmittel – ein Gesundheitsrisiko für Menschen dar?
Seit Jahren streiten sich Experten und Behörden über diese Frage. Während die Chemikalie von der zur „Weltgesundheitsorganisation“ (WHO) gehörenden „Internationalen Krebsforschungsagentur“ (IARC) und dem US-Bundesstaat Kalifornien als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wird – gehen europäische Stellen davon aus, dass von Glyphosat bei richtiger Anwendung kein erhöhtes Krebsrisiko ausgeht. Auch dem wiederkehrenden Vorwurf, das Gift hätte fruchtbarkeits- und erbgutschädigende Wirkung, halten EU-Institutionen bisher für unbegründet.
Diskussion über Neuzulassung
Die Auseinandersetzung darüber flammt nun wieder auf, weil die aktuelle Zulassung von Glyphosat für die EU ausläuft. Sollte sie nicht verlängert werden, dürften Landwirte und Privatleute das Pflanzengift nur noch ein Jahr lang verwenden.
Der Glyphosat-Hersteller „Monsanto“ hatte deshalb bereits vor geraumer Zeit einen Antrag auf eine neue Lizenz gestellt und damit das Zulassungsverfahren eingeleitet.
Die herausragende Rolle des Berichterstatters
Das Verfahren sieht vor, dass ein Antrag zunächst von einem sogenannten Berichterstatter geprüft wird. Er verfasst daraufhin einen „Bewertungsbericht“, den die „Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde“ (EFSA) erhält. Auf Basis dieser Einschätzung gibt die Behörde wiederum einen „zusammenfassenden Bericht“ ab, der – wie es offiziell heißt – „die Grundlage für die Abstimmung der Experten der EU-Mitgliedstaaten und der Entscheidung der Europäischen Kommission über die Genehmigung eines Wirkstoffes bildet.“
Da die EU Deutschland mit der Bewertung beauftragt hatte, setzte das Landwirtschaftsministerium das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ (BfR) als Berichterstatter ein. Die weitreichende Entscheidung der EU-Kommission über eine mögliche Neuzulassung von Glyphosat beruht also indirekt auf der Stellungnahme des BfR.
Eins zu eins von der Glyphosat-Lobby abgeschrieben
Umso skandalöser ist, was die britische Zeitung „The Guardian“ und die italienische Zeitung „La Stampa“ am 15. September meldeten: Rund 100 der insgesamt etwa 4.300 Seiten ihres Bewertungsberichts soll das BfR direkt aus dem Zulassungsantrag von „Monsanto“ übernommen haben – und zwar wortwörtlich.
Auf diesen Seiten gehe es unter anderem um kritische Glyphosat-Studien, die mit Kommentaren wie „nicht zuverlässig“, „irrelevant“ oder „wenig haltbar“ de facto diskreditiert werden. „Genau diese Stellen sind nach europäischem Recht entscheidend für die Frage, ob Glyphosat überhaupt wieder zugelassen werden darf oder verboten werden muss“, merkt die österreichische Seite „Ökonews“ an.
Dass die Kommentare nicht vom BfR verfasst wurden, geht aus dem Bewertungsschreiben anscheinend nicht hervor. Also kein Wunder also, dass die EU-Kommission im Juli den Vorschlag machte, das Herbizid für weitere zehn Jahre freizugeben?
Wie glaubwürdig ist der zusammenfassende Bericht?
In einer ersten Stellungnahme hat das BfR versichert, die aufgeführten Quellen „sorgfältig und detailliert in eigener Verantwortung geprüft und bewertet“ zu haben. Ein EFSA-Sprecher geht sogar in die Offensive und wirft dem „Guardian“ und der „Stampa“ in einem „ORF“-Interview vor, das EU-Prüfverfahren in Zweifel ziehen zu wollen. Schließlich seien die vom „Monsanto“ eingereichten Studien schon seit 2015 öffentlich zugänglich.
Nichtsdestotrotz steht die BfR jetzt in der Kritik: Die Umweltorganisation „Greenpeace“ betont, dass „auf der mangelhaften Grundlage keine derart weitreichende Entscheidung“ getroffen werden darf und fordert die Vertreter Deutschlands in der EU-Kommission auf, gegen die Wiederzulassung zu stimmen. Katrin Göring-Eckardt und Harald Ebner von den Grünen verlangen, die Bewertung von Glyphosat „komplett neu aufzurollen und das zuständige Personal auszutauschen“.
Auch das „Umweltinstitut München“ hält personelle Konsequenzen für notwendig. Nachdem das BfR seiner Aufgabe der unabhängigen Risikobewertung nicht nachgekommen sei, könne die Behörde nur durch einen Neuanfang wieder Vertrauen gewinnen, so eine Sprecherin des Vereins.