„Geisternetze“ werden im Meer zur tödlichen Falle
Sie heißen „Geisternetze“, dabei sind sie eine ganz reale Gefahr: jährlich gehen in den europäischen Meeren rund 25.000 Fischereinetze verloren, oder werden einfach im Meer entsorgt. Das geht aus einer Studie der Welternährungsorganisation (FAO) hervor. Doch diese Netze fischen weiter: unkontrolliert und herrenlos schweben sie durchs Wasser oder bleiben an Wracks hängen, wo sie dann oft zur tödlichen Falle für Fische und Meeressäuger werden.
Erst Anfang diesen Jahres sind an der Nordseeküste 12 Pottwale verendet, aus teils ungeklärten Gründen. Bei drei Kadavern konnte eine Untersuchung jedoch feststellen, dass sie Fischereinetze im Magen hatten, was als Todesursache durchaus in Frage kommt.
Es gibt Regeln - die nicht eingehalten werden
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace prangert an, dass die Politik nichts unternimmt, sondern offensichtlich einfach wegschaut. Seit 2009 gibt es eine EU-Fischereiverordnung, die eindeutig regelt, wie mit verloren gegangenen Netzen umgegangen werden muss. Verloren gegangene Netze müssen den Behörden des jeweiligen Landes gemeldet werden, und ausgediente Netze dürfen selbstverständlich nicht im Meer entsorgt werden, genauso wie jeglicher anderer Müll.
Doch die Einhaltung dieser Verordnung wird nicht kontrolliert, und so gelangen jedes Jahr weitere Netze in die Meere. Greenpeace fordert die Politik deshalb auf, ihrer Aufgabe gerecht zu werden: „Fischereiminister Christian Schmidt darf nicht länger wegschauen“, sagt der Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack. „Geisternetze sind eine Bedrohung für das Meer. Es ist seine Aufgabe, unsere Meere davor zu schützen.“
Greenpeace holt Geisternetze aus dem Wasser
Die Aktivisten sind Anfang Mai zu einer Sammelaktion aufgebrochen. Mit ihrem Schiff Arctic Sunrise und Kollegen der niederländischen Organisation „Ghost Fishing“ tauchten sie in der Nordsee nach Netzen – und wurden an jedem Wrack fündig. Und nicht immer mussten die Taucher erst unter Wasser, oft schwammen schon auf der Oberfläche Reste von sogenannten Dolly Ropes.
Diese Fransen von Grundschleppnetzen sind aus Plastik und lösen sich während des Einsatzes gerne mal von den Netzen. Dann schwimmen sie auf ewige Zeiten im Meer herum und gefährden sowohl Meeressäuger als auch Seevögel, die sich nicht selten an den Fasern strangulieren.
Insgesamt holten die Taucher in ihrem 10tägigen Einsatz über eine Tonne „Geisternetze“ aus dem Wasser der Nordsee. Diese Menge lässt ahnen, wie viele Netze noch in den Meeren der Welt herumgeistern. Die Welternährungsorganisation (FAO) vermutet, dass allein in Europa jährlich ganze 1.250 Kilometer Netz in die Meere geraten – ausgelegt würden sie die Strecke von Hamburg bis Rom abdecken. Und nur ein einziges Land kommt seiner Pflicht nach, die Netze regelmäßig zu bergen: Norwegen.
Wenig Verantwortungsgefühl bei den Fischern
Eigentlich sollten gerade Fischer wissen, wie wichtig saubere Meere sind, besonders für ihre eigene Wirtschaft. Doch die Bereitschaft, Netze und andere Objekte korrekt zu entsorgen und unabsichtlich verlorene Netze zu melden, ist erschreckend gering. Meeresbiologe Thilo Maack vermutet, dass auch finanzielle Anreize die fachgerechte Entsorgung steigern könnten:
„Zum Beispiel muss die Entsorgung von Fanggeräten in den Häfen kostenlos sein, damit die Fischer gar nicht erst in Versuchung geraten, die Netze illegal über Bord zu werfen um das Geld für die Entsorungskosten zu sparen“, erklärt er. Sind die Netze einmal im Meer, brauchen sie dort über 600 Jahre um sich zu versetzen – und landen dann in kleinen Einzelteilen in den Mägen von Vögeln, Fischen, Robben und Walen.
Greenpeace hat einige Fotos und ein Video der Sammelaktion in der Nordsee veröffentlicht. Der Anblick der qualvoll verendeten Tiere sollte eigentlich jedem deutlich machen, wie wichtig der Schutz unserer Meere vor Müll ist, und wie nötig ein konsequentes Durchgreifen der Politik.