Feinstaub – Wie gefährlich ist unsere Luft?
Jeden Tag strömen über 12.000 Liter Luft durch unsere Lungen. Doch mit jedem Atemzug nehmen wir einen ganzen Cocktail an gesundheitsgefährdenden Substanzen in unseren Körper auf. Dazu gehört auch Feinstaub und der wird nur zu einem geringen Teil vom Straßenverkehr produziert. Wie stark ist unsere Luft tatsächlich belastet?
Die unsichtbare Gefahr
Feinstaub kann sowohl einen natürlichen Ursprung haben, als auch durch menschliches Handeln entstehen. Die unterschiedlichen Partikel in der Luft sind so klein, dass sie nicht sofort zu Boden sinken und sich deshalb besonders leicht verteilen.
Dieser Schwebstaub – oder englisch Particulate Matter – besteht unter anderem aus Reifen- und Bremsabrieb, Rußpartikeln aus Kohlekraftwerken oder Verbrennungsanlagen, Mikroplastik, Pollen und Partikeln, die bei Busch- und Waldbränden, Vulkanausbrüchen oder Erosion freigesetzt werden.
Das „Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft“ (BMEL) definiert dabei primären und sekundären Feinstaub gegenüber CodeCheck: „Primärer Feinstaub wird unmittelbar an der Quelle freigesetzt, zum Beispiel bei Verbrennungsprozessen. Entstehen die Partikel aufgrund komplexer chemischer Reaktionen in der Atmosphäre durch gasförmige Vorläufersubstanzen, so werden sie als sekundärer Feinstaub bezeichnet.“
Nur bei bestimmten Wetterverhältnissen können wir Feinstaub als Dunstglocke am Himmel sehen, den Rest der Zeit ist er für uns unsichtbar. Je kleiner die Teilchen sind, desto tiefer dringen sie beim Atmen in den Körper ein.
Studien sind belastbar
Man unterscheidet dabei drei Kategorien von Feinstaub: Die Klasse PM10 schließt alle Partikel ein, die einen Durchmesser von unter zehn Mikrometern (µm) haben. PM2,5 kategorisiert Teilchen mit einem Durchmesser von 2,5 Mikrometer. Die dritte Kategorie, PM0,1 – der Ultrafeinstaub – ist etwa 10.000 Mal kleiner als der Durchmesser eines Haars.
Laut der „Weltgesundheitsorganisation“ (WHO) sind Teilchen von weniger als 2,5 Mikrometern (PM2,5) besonders gesundheitsschädlich. Diese Partikel passieren die Lungenbläschen, dringen in die Blutbahn und die Organe ein und können dort im Gewebe Veränderungen verursachen.
„Unsere Studien ergeben, dass jährlich rund 45.000 Menschen in Deutschland frühzeitig an den Folgen der Feinstaubbelastung sterben. Dazu wird eine feste Probandengruppe an unterschiedlichen Standorten unter Langzeitbeobachtung gestellt. Es lässt sich eine eindeutige Korrelation zwischen der Feinstaubbelastung und Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems und der Atemwege bis hin zu Lungenkrebs beobachten. Schmutzige Luft ist tödlich, das ist erwiesen“, erklärt Marion Wichmann-Fiebig, Abteilungsleiterin „Luft“ des „Umweltbundesamtes“, gegenüber CodeCheck.
Europäische Grenzwerte vs. Grenzwerte der „WHO“
Seit die gesundheitsschädliche Wirkung in den 1990er Jahren in den Fokus gerückt ist, wurde die Feinstaubemission in Deutschland deutlich gesenkt.
Für die Kategorie PM10 hat die Europäische Union bereits im Jahr 2005 einen Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m3) festgelegt. Dieser darf nicht öfter als 35-mal im Jahr überschritten werden. Die Grenzwerte sind außerdem im 39. Bundes-Immissionsschutzgesetzt festgelegt. Überschritten wurde der Tagesmittelwert an den 373 Messstellen in der Vergangenheit immer wieder, an manchen Tagen sogar um mehr als das Dreifache. Mehr als 35-mal im Jahr schnellte der Wert deutschlandweit allerdings nur an einem Hotspot in die Höhe: am Neckartor in Stuttgart.
Marion Wichmann-Fiebig vom „Umweltbundesamt“ gibt trotzdem keine Entwarnung: „Die Werte, die 2005 von der EU festgelegt wurden, waren als Zwischenziele gedacht. Eine Revision, wie sinnvoll dieser Richtwert tatsächlich ist, hat allerdings nie stattgefunden. Die „WHO“ empfiehlt beispielsweise einen viel niedrigeren Wert.“
Bei Feinstaub PM2,5 rät die „WHO“ zum Schutz der Gesundheit zu einem Wert von 10 µg/m3. Deutschland orientiert sich allerdings an einem Grenzwert von 25µg/m3. Ähnlich sieht es bei PM10 aus: Der gültige EU-Grenzwert liegt bei 40µg/m3. Die „WHO“ empfiehlt dagegen nur 20µg/m3.
Darum macht Feinstaub krank
Nach Berechnungen, die das „Max-Planck-Institut für Chemie“ im Jahr 2015 vorstellte, gehen die Forscher weltweit derzeit von 3,3 Millionen Menschen aus, die vorzeitig an den Folgen der Luftverschmutzung sterben – Dreiviertel erleiden einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt.
Normalerweise schützt sich der Körper vor feinen Partikeln in der Luft, die beim Atmen in den Flimmerhärchen und im Schleim der Atemwege hängen bleiben und wieder nach oben gefördert werden.
„Doch je kleiner die Teilchen sind, desto gefährlicher sind sie. Wir können uns nur schützen, wenn die Luft tatsächlich sauberer wird, schließlich können wir nicht einfach aufhören zu atmen. Die Feinstaubpartikel sind viel zu klein, als dass zum Beispiel ein Mundschutz sie abhalten würde. Wenn möglich, sollte man an Hotspot-Straßen keinen Sport machen, dann atmet man besonders tief ein“, erklärt Marion Wichmann-Fiebig CodeCheck.
PM10 kann über die Atemwege in tiefere Bereiche der Bronchien gelangen. Die kleineren Teilchen von PM2,5 können bis in die Lungenbläschen eindringen und dort zu Veränderungen führen. Ultrafeine Partikel gelangen über die Atemluft bis in das Lungengewebe und sogar in den Blutkreislauf. Dort können sie von lokalen Entzündungen im Rachen, der Luftröhre und den Bronchien verursachen, eine verstärkte Plaquebildung in den Blutgefäßen erhöht die Thrombosegefahr sowie das Herzinfarktrisiko.
Wer sind die größten Verursacher von Feinstaub?
Für Feinstaub gibt es viele Quellen. Zwar ist der Straßenverkehr wohl der bekannteste Verursacher von Feinstaubemissionen der Klasse PM10, er hat allerdings bei Weitem nicht den prozentual größten Anteil. Diesel-Fahrverbote und Tempo-30-Zonen in Städten, sowie die Klage der Europäischen Kommission beziehen sich vor allem auf die ausgestoßenen Stickoxide, nicht auf Feinstaub. Zwar verursacht der Straßenverkehr rund 15 Prozent des Feinstaubes, allerdings sorgen nicht die Abgase für die Feinstaubbelastung, sondern vor allem der Reifen-, Brems- und der Fahrbahnabrieb, der durch den Verkehr zusätzlich aufgewirbelt wird.
Der Straßenverkehr ist lange nicht mehr das größte Problem, denn die Partikelfilter, die 2007 eingeführt wurden, machen sich bemerkbar. Der Energiesektor mit den Kohlekraftwerken trägt 15 Prozent bei, den Rest verursachen die Industrie und die Privathaushalte in Wohngebieten mit veraltetet Verbrennungsöfen sowie Drucker und Kopierer, aber auch zum Beispiel Kochen und Zigarettenrauch. Das macht ungefähr 50 Prozent des Feinstaubausstoßes aus.
Auch die Landwirtschaft hat ihren Anteil: Ammoniakemissionen
Laut des „Max-Planck-Instituts“ bestehen die anderen 50 Prozent aus sekundärem Feinstaub und der geht auf ein Konto, das man nicht sofort im Kopf hat: Die Landwirtschaft mit ihrer industriellen Massentierhaltung.
Das bestätigt auch das „Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft“ auf eine Anfrage von CodeCheck: „Die Emissionen gasförmiger Vorläuferstoffe tragen zur sekundären Feinstaubbildung bei. Hier sind insbesondere die Ammoniakemissionen relevant, die zu 95 Prozent aus der Landwirtschaft stammen und dort wiederum zu zwei Dritteln aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung.“
Dem sekundären Feinstaub liegt oft das Gas Ammoniak zugrunde, das vor allem während der Düngung freigesetzt wird. „Insgesamt sehen wir beim Feinstaub einen guten Rückgang, außer bei den Ammoniakemissionen. Die Landwirte wissen oft gar nicht wohin mit der ganzen Gülle“, erklärt Marion Wichmann-Fiebig vom „Umweltbundesamt“.
Zwar ist der Stickstoff in der Gülle ein wichtiger Nährstoff für Pflanzen, allerdings ist die Überdüngung deutscher Böden und Gewässer kein neues Problem. Ammoniak entweicht in die Luft und reagiert dort mit anderen Stoffen zu Ammoniumsulfat und Nitratsalzen, die sich dann wiederum zu Feinstaubpartikel kristallisieren. Die Forscher des „Max-Planck-Instituts“ in Mainz rufen vor allem Nordamerika und Europa zu strikteren Grenzwerten für Ammoniak auf.
Was tut die Politik?
Bis 2030 sollen die Ammoniakemissionen um 29 Prozent gegenüber dem Wert im Jahr 2005 gesenkt werden. Auf Anfrage von CodeCheck erklärt das „Landwirtschaftsministerium“: „Die Bundesregierung geht davon aus, dass damit insgesamt Ammoniakemissionen von circa 60 Kilotonnen pro Jahr eingespart werden. Zur weiteren Verringerung der Ammoniakemissionen aus der Tierhaltung ist auch die Weiterentwicklung der Haltungssysteme notwendig. Die Bundesregierung unterstützt dies durch verschiedene Forschungs- und Fördermaßnahmen.“
Doch Marion Wichmann-Fiebig vom „Umweltbundesamt“ geht das nicht weit genug: „Die Regierung tut auf nationaler Ebene viel zu wenig. Die Ammoniakbelastung könnte sehr gezielt reduziert werden. Doch gegen eine sofortige Einarbeitungspflicht der ausgebrachten Gülle in den Boden, verbesserte Abluftreinigung in den Stallgebäuden oder die Abdeckung von Güllelagern wehrt sich die Landwirtschaft vehement. Wir haben es da mit einer sehr einflussreichen Lobby zu tun,“ erklärt Marion Wichmann-Fiebig, „doch, die Hoffnung stirbt zuletzt.“
Um die Luftqualität dauerhaft zu verbessern müssen verschiedenste Bereiche an einem Strang ziehen und für Veränderungen offen sein. Industrie, Landwirtschaft und Privathaushalte sind gemeinsam dafür verantwortlich die Umweltbelastung durch Feinstäube zu verringern. Denn unsere Gesundheit steht auf dem Spiel.