Wahrheit oder Marketingstrategie

Superfood ist supergut! Oder doch nicht?

17. März 2016 von

Sie strahlen uns in den peppigsten Verpackungen aus den Supermarktregalen entgegen: Chia, Goji & Co. sind die neuen Trendfoodarten. Zusammengefasst unter der Bezeichnung Superfood versprechen sie schon mit ihrem Namen, in unseren Körpern ganz außerordentliche Leistungen zu vollbringen. Doch wie viel können diese Lebensmittel wirklich?

Gesundheit boomt

Diät- und Ernährungstrends ziehen die westliche Bevölkerung schon seit vielen Jahren in ihren Bann, die einen länger, die anderen verschwinden nach kurzer Zeit wieder. Paleo und Low Carb-Jünger, Vegetarier und Veganer müssen bei eiener Ernährungsumstellung darauf achten, ausreichend der wichtigen Nähr- und Ballaststoffe zu sich zu nehmen. In diese Kerbe schlagen die Superfoods, denn sie versprechen viel Leistung bei kleinen Mengen.

Es gibt keine wissenschaftliche Definition, trotzdem findet man den Begriff Superfood in einigen Lexika. Die Beschreibung ist immer ähnlich: Besonders nährstoffreich, gesundheitsfördernd und abwehrstärkend sind Adjektive, die den Superfoods dort zugeschrieben werden.

Die übernehmen Marketingexperten nur zu gerne für Werbung und Verpackungen – und die Wirkung bleibt nicht aus. Das belegen die schlagkräftigen Verkaufszahlen: Laut einer Umfrage von „Information Resources“ (IRi) hat sich beispielsweise die Menge der verkauften Chia-Samen innerhalb von zwei Jahren von 20kg auf 663,8 Tonnen erhöht – das ist wohl eine einmalige Erfolgsstory.

Super Marketing

Gepaart werden die beeindruckenden Fähigkeiten der Früchte, Samen und Körner dann noch mit den exotischen Geschichten ihrer Herkunft und Entdeckung. Ob von den Inca, den Maja, den alten Chinesen oder indigenen Völkern im brasilianischen Urwald: Sie alle verzehren unsere Superfoods schon seit vielen Jahrhunderten, leben deshalb viel gesünder und haben weniger Herz-Kreislauf-Probleme – womit die Wirkung zweifelsfrei überliefert wäre. Oder etwa nicht?

Laut einer Umfrage der British Dietetic Association haben 61 Prozent der Befragten ein Lebensmittel schon mal nur deshalb gekauft, weil es die Bezeichnung Superfood trug.

Pro und Kontra Wunderbeere

Der Nährstoffgehalt der Superfoods ist unbestritten und wissenschaftlich belegt. Chia-Samen besitzen einen hohen Anteil an Kalzium, Omega-3-Fettsäuren und Aminosäuren, die brasilianische Beere Açai ist reich an Anthocyanen, einem dunklen Pflanzengerbstoff, die Goji-Beere kann mit vielen Antioxidantien trumpfen. Nur wie viel bringen all diese guten Stoffe unseren Körpern wirklich, wie viel müssten wir davon essen, und sind alle Bestandteile der Beeren und Körner so gesund?

Wie so oft gibt es auch hier kein richtig und kein falsch. Doch es lohnt sich, die Angaben zu den Superfoods zumindest näher zu beleuchten und gegebenenfalls zu hinterfragen. Die Açai-Beere zum Beispiel kommt aus Brasilien und wird dort frisch verzeert. Den Weg bis zu uns schafft sie aber nur in getrocknetem Zustand. Hier wird sie dann in Säften, Joghurts und Müslis verarbeitet. Wie viel Açai dann später noch im Endprodukt steckt, erkennt der Verbraucher nicht, meint Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gegenüber der Zeitschrift Brigitte. Geblendet von der vielversprechenden Wirkung der Frucht würde dann oft vergessen: „Zuckerreiche Müslis oder Milchprodukte werden mit ein paar Açai-Beeren nicht gesünder.“ Dass die Beere außerdem einen relativ hohen Fettgehalt hat, und damit ein zusätzlicher, womöglich ungewollter Energielieferant ist, wird so gut wie nie erwähnt.

Zu viel des Guten kann schaden

Beliebt geworden sind auch die Antioxidantien, die in vielen der Superfoods stecken und in unserem Körper schädigende, freie Radikale abfangen sollen. Das klingt gut – ist aber nur durch Versuche in Reagenzgläsern belegt. Ob sich die Vorgänge im menschlichen Körper, unter Einwirkung von anderen Stoffen, ebenso abspielen, bleibt ungewiss.

Fest steht laut Ernährungswissenschaftlerin Daniela Graf aber: „Antioxidanzien, wie sekundäre Pflanzenstoffe, können, in großen Mengen verzehrt, schädliche Wirkungen haben. Beispielsweise ist beschrieben, dass es zu Wechselwirkungen mit Medikamenten und zu einer schlechteren Aufnahme von Vitaminen kommen kann.“ Sie rät in der Brigitte deshalb davon ab, die Superfoods in Form von hochkonzentrierten Pulvern oder Pillen einzunehmen.

Zweifelhafter ökologischer Fußabdruck

Kaum ein Superfood kommt aus Europa, geschweige denn aus Deutschland. Goji-Beeren werden meist aus China importiert, die Açai aus Brasilien, Chia und Quinoa aus Südamerika. Rechtfertigen die Inhaltsstoffe den Aufwand für den langen Transport?

Wohl kaum, denn auch wir haben heimische Früchte, die den Superfoods in nichts nachstehen. So können Chiasamen problemlos mit Leinsamen ersetzt werden, Heidelbeeren enthalten ähnlich viel Anthocyane wie Açai. Und mit Grünkohl, Rote Beeten, Walnüssen und Lachs haben wir noch eine handvoll weiterer super Foods, die unseren Speiseplan nicht nur unglaublich gesund, sondern ganz nebenbei auch noch umweltfreundlicher machen.

Quellen:

http://www.eufic.org/article/de/artid/The-science-behind-superfoods/

http://www.brigitte.de/figur/ernaehrung/superfood-1202046/

http://www.welt.de/wirtschaft/article153176134/Geschaefte-mit-der-Pseudo-Power-von-Chia-und-Quinoa.html