Studie setzt Hoffnung auf Bakterienaustausch

Mit Darmbakterien die Folgen von Unterernährung bekämpfen?

03. März 2016 von

Die Folgen von Unterernährung in der Kindheit können gravierend sein. Kinder sind krankheitsanfällig und in ihrer Enwicklung gehemmt. Forscher haben nun herausgefunden, dass Bakterienarten diese Folgen verhindern könnten.

Die Studie

Schlagwort Mikrobiom: So bezeichnet die Medizin die Ansammlung im Darm lebender Bakterien. Die Forscher um Laura Blanton von der Washington University in St. Louis (Missouri) haben in einer neuen Studie einen Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom und Mangelernährung bei Kindern hergestellt. Sie fanden heraus, dass untergewichtige und zu kleine Kinder eine andere Bakterienzusammensetzung in sich tragen, als es gesunde gleichaltrige Kinder tun. Dafür untersuchten die Forscher in einem ersten Schritt Stuhlproben gesunder Kinder aus Malawi und erstellten so ein „Bakterienmodell“ für gesund entwickelte Kinder.

Die Stuhluntersuchungen von unterernährten Kindern zeigten ein anderes Bakterienbild – eines, das Kleinkindern, resp. dem Bakterienstand viel jüngerer Kinder ähnelt. In einem zweiten Schritt untersuchten die Forscher die Stuhlproben von 19 gesunden und unterernährten malawischen Kinder im Alter von 6 bis 18 Monaten.

Mäuse: Bakterienaustausch untereinander

Die Proben übertrugen die Wissenschaftler auf fünf Wochen alte Mäuse, die zwar zu klinischen Bedingungen, aber vergleichsweise ähnlich wie unterernährte malawische Kinder aufwuchsen.

Momentan ist zwar noch nicht vollständig geklärt, wie die schwerwiegenden Folgen der Mangelernährung genau entstehen, die Forscher konnten an den Mäusen aber etwas aufzeigen: Nämlich, dass sich die Tiere, welche die Bakterien der mangelernährten Kindern verabreicht bekamen, viel schlechter entwickelten. Sie waren untergewichtig, stoffwechselgestört, bauten weniger Muskeln auf und zudem zeigte auch die Skelettstruktur krankhafte Veränderungen.

Interessant: Wenn die Forscher die infizierten und gesunden Tiere einige Tage nach der Bakterien-Verabreichung zusammenbrachten, traten die negativen Folgen bei den infizierten Mäusen nicht mehr auf. Der Grund: Mäuse fressen Kot. Auf diese Weise tauschten sie förderliche Bakterien (Ruminococcus gravus und Clostridium symbosium) untereinander aus – ein Akt, der die Entwicklungsbremse unterbindet. Diese Ergebnisse veröffentlichte das Fachblatt „Science“.

WHO: Millionen unterernährter Kindern helfen

Kindersterben durch Mangelernährung ist ein großes Problem, und die WHO hat ihr Augenmerk seit Langem auf die Verbesserung dieser Situation gerichtet. Der Focus schreibt, dass laut WHO „Mangelernährung eine der führenden Ursachen für Kindersterblichkeit weltweit ist. Sie verhindere zudem eine gesunde Entwicklung, mache anfälliger für Krankheiten und könne letztlich die Produktivität eines ganzen Landes einschränken. 2011 waren etwa 165 Millionen Kinder im Bezug auf das Körperwachstum nicht altersgerecht entwickelt.“

Wenn man mittels Bakterien die negativen Folgen der Entwicklung einschränken könnte, wäre das für die WHO hochinteressant. Ob sich die Ergebnisse von den Mäusen auf Kinder übertragen lässt, untersuchen die Forscher nun. Anscheinend müssen „weitere Untersuchungen abklären, ob sich bei unterernährten Kindern therapeutisch ein altersgerechtes Mikrobiom aufbauen lasse und dies die Folgen der Unterernährung aufhalten könne, schreibt „Science“.

Erwachsene: Darm mit Ernährung stärken

Dass Bakterien und andere nützliche Lebewesen im Darm unsere gesamte Gesundheit positiv beeinflussen, beweisen Forscher immer wieder aufs Neue. Beispielsweise besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen der Ernährung und dem Verlauf von Depressionen.

US-Forscher veröffentlichten in „Nature“, dass die ballaststoffarme, westliche Ernährungsweise (Zucker, Weissbrot, industriell gefertigte Nahrung) für schlechtere Darmfunktionen sorgen und sich die Darmsituation sogar von Generation zu Generation verschlechtert. Es bestünde auch ein Zusammenhang zwischen Allergien und den sich in der westlichen Welt häufenden Nahrungsmittelunverträglichkeiten („Ich muss glutenfrei, milchfrei, etc. essen“) und der Darmgesundheit, resp. einem gestörten Darmmikrobiom, schreibt Focus. Grund genug, die eigene Darmgesundheit aufzubauen und das eigene Allergie- und Unverträglichkeitsrisiko zu senken.

Wie lässt sich das möglichst ohne Aufwände bewerkstelligen? Am einfachsten geht es mit probiotischen Nahrungsergänzungsmitteln. Deren Wirkung ist allerdings in der Wissenschaft noch umstritten. In der Praxis hingegen sind die meist in Kapselform erhältlichen Bakterien weit verbreitet. Auch Folate, Omega-3-Fettsäuren, einfach ungesättigten Fettsäuren, Obst, Gemüse, Nüssen und gekeimte Hülsenfrüchte helfen den Darmbakterien. Junkfood, industriell verarbeitete Lebensmittel und stark denaturierte Produkte sollte man der Darmgesundheit zuliebe vermeiden.