Krankenhauskeime bekämpfen mit pinkem Desinfektionsmittel
Fast eine Million Menschen erkranken allein in Deutschland jährlich an einem Krankenhauskeim. Ein großes Problem ist die fehlerhafte Händedesinfektion. Die Lösung bietet jetzt ein Start-up mit künstlerischem Hintergrund, indem es viel Farbe in die Sache bringt.
Besonders in Krankenhäusern ist die regelmäßige Desinfektion der Hände sehr wichtig: Denn durch sie kann die Verbreitung von Krankenhauskeimen verhindert werden. Etwa 900.000 Patienten sind in Deutschland jährlich von so einer Krankenhausinfektion betroffen – viele von ihnen sterben daran.
Eine dieser Infektionen kostet ein Krankenhaus etwa 20.000 Euro, doppelt so viel wie die jährlichen Kosten für Desinfektionsmittel. Die schützende Händedesinfektion wird jedoch oft nicht regelmäßig oder nicht ausführlich genug durchgeführt. Das Start-up Heyfair, Titelträger der Kultur- und Kreativpiloten Deutschland, hat nun ein Händedesinfektionsmittel entwickelt, das alle Probleme, die bei der Desinfektion auftreten, lösen soll. Wie? Es ist pink.
Wirksame Händedesinfektion braucht viel Desinfektionsmittel
Für eine wirklich wirksame Händedesinfektion braucht es zunächst eine ausreichende Portion von dem Desinfektionsmittel. „Das ist ein großes Problem, von dem die meisten Menschen gar nichts wissen“, sagt Robert Hellmundt, einer der Gründer von Heyfair. „Bei zu wenig Desinfektionsmittel leidet die Wirksamkeit, es werden nicht alle Erreger abgetötet. An und für sich schon schlimm genug, können die überlebenden Erregerstämme darüber hinaus auch Resistenzen entwickeln.“
Ein weiteres Problem sind Lücken bei der Händedesinfektion – viele Bereiche der Hände werden schlicht nicht erreicht. Außerdem wird die Desinfektion einfach nicht häufig genug durchgeführt.
Während das Start-up HygNova auf ein Belohnungssystem setzt, will Heyfair mit seinem Produkt diesen Problemen anders entgegenwirken: Ihr Desinfektionsmittel färbt die Hände pink und zeigt so an, wo noch Lücken bestehen. „Wir haben die Farbigkeit so eingestellt, dass die Hände erst bei einer ausreichenden Menge so richtig schön pink werden“, sagt Hellmundt – innerhalb von zwei Minuten ist der Farbstoff wieder verschwunden.
So funktioniert’s
Das Ganze funktioniert durch einen speziell entwickelten Naturfarbstoff. Dieser zersetzt sich durch den Kontakt mit Sauerstoff. Innerhalb von etwa 120 Sekunden werden die Hände zunächst pink, dann rosa und schließlich komplett rein. Haben jetzt bald alle Ärzte und Pfleger pinke Spuren auf ihren Kitteln? Solange das Desinfektionsmittel nicht eingetrocknet ist, färbt es ab, ja. Aber auch auf Stoff oder anderen Materialien verschwindet die Farbe nach kurzer Zeit wieder.
Das farbige Mittel soll nicht nur bei der akuten Anwendung helfen – sondern auch dazu beitragen, dass eine Händedesinfektion insgesamt öfter durchgeführt wird. „Man hat mit dem farbigen Produkt bei der Händedesinfektion quasi einen visuellen Erfolg. Das hilft natürlich enorm bei der Motivation“, sagt Hellmundt. Die Farbigkeit dient außerdem als Erinnerungshilfe: zum Beispiel, wenn man sich automatisch merkt, dass die Hände vor einem bestimmten Handgriff pink gewesen sein sollten.
Von Kunst zu Chemie
Krankenhauskeime, Desinfektionslücken, Reaktion bei Kontakt mit Sauerstoff: Das klingt alles so gar nicht nach Kunst. Aber genau da kommen Robert Hellmundt und Alexander Döpel, Gründer von Heyfair eigentlich her. Die beiden haben zusammen an der Bauhaus Universität in Weimar visuelle Kommunikation studiert. Wie kommt man dann auf so eine Idee wie das pinke Desinfektionsmittel? „Eigentlich ist es naheliegend“, sagt Hellmundt, „weil das Produkt über Maßnahmen der visuellen Kommunikation funktioniert“. Er erzählt, dass sein Mitgründer Döpel und er schon immer gern an Ideen außerhalb der eigenen Fachrichtung gearbeitet haben: „Wir wollten lieber immer Lösungen für Probleme anbieten, anstatt zum Beispiel klassisch eindimensionale Werbung zu machen.“
Als Döpel die Idee zu dem temporär sichtbaren Desinfektionsmittel kam, wurde ihnen bewusst, was für ein großes Potenzial dahinter steckt – wie viele Probleme damit tatsächlich gelöst werden könnten. Also haben sich die beiden Kommunikationsdesigner dazu entschlossen, die Idee nicht nur bei Kreativwettbewerben einzureichen – sondern selber umzusetzen. In Zusammenarbeit mit mehreren Chemikern entwickelten sie dann sie das Produkt.
Ab 2019 wird’s pink
Ab Mitte 2018 wollen die Gründer von Heyfair anfangen, ihr Produkt für Hygieneschulungen anzubieten – um die richtige Händedesinfektion zu lernen, ist das pinke Mittel ideal. Geplant ist, dann 2019 das Desinfektionsmittel für den Einsatz unter Realbedingungen auf den Markt zu bringen, beispielsweise in Krankenhäusern oder Labors.
Wird es das Mittel nur in solchen Einrichtungen geben? Nein, sagt Hellmundt: „Wir sehen das Produkt als Standard für alle Bereiche. Überall dort, wo bisher farblose Desinfektionsmittel benutzt werden, ist das kurzzeitig sichtbare Desinfektionsmittel im Vorteil. Das hat einfach damit zu tun, dass die typischen Fehler, die bei der Anwendung von Desinfektionsmitteln vorkommen, durch die Farbigkeit behoben werden.“
Für die Farbe pink haben sich übrigens die Kunden bei einem Test selbst entschieden – Heyfair arbeitet aber noch an weiteren Farbvarianten, die für unterschiedliche Anwendungsbereiche eingesetzt werden sollen.