Geschälte Tomaten aus der Dose im „Öko-Test“

Keine Pestizide, aber Bisphenol A in fast allen Produkten

04. Juli 2023 von

Bisphenol A (BPA) als Problem in Konservengemüse: In einem aktuellen Öko-Test überschreiten alle geschälten Tomaten aus der Dose die Menge pro Tag, die nach neuesten Erkenntnissen als unkritisch gilt. Nur die Testtomaten der zwei Marken aus dem Glas sind frei von dem kritischen Stoff.

  • Von 20 Konserven mit geschälten Tomaten, darunter Discounter- und bekannte Markenprodukte sowie Bioerzeugnissen, schneidet im Test lediglich eine „gut“ ab. Ein Produkt versagt mit „Ungenügend“ komplett.
  • Testsiegerin ist die Bio-Tomatenkonserve von La Selva, die ohne Bisphenol A auskommt und mit ordentliche Anbaubedingungen punkten kann.
  • Der Anbau von Tomaten ist wasserintensiv. Tomatenplantagen in wasserarmen Regionen können Ökosysteme sehr stark belasten.

Dass Bisphenol A (BPA) ein Risiko für Deine Gesundheit darstellen kann, ist seit Jahrzehnten bekannt. Als „endokriner Disruptor“ kann die Industriechemikalie Dein Hormonsystem beeinflussen. In der CLP-VO, der Verordnung, die die Einstufung und Kennzeichnung von gefährlichen Stoffen und Gemischen regelt, wird sie offiziell als „reproduktionstoxisch beim Menschen“ geführt. Darüber hinaus steht BPA im Verdacht, Brustkrebs, Übergewicht und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern zu fördern.

Empfohlene Tageshöchstdosis mehrfach überschritten

Alarmierend also, dass in den Bio-Dosentomaten Cirio Bio Pelati Geschälte Tomaten so viel BPA nachweisbar ist, dass ein Erwachsener mit 60 Kilogramm Körpergewicht damit 28 Mal mehr BPA aufnimmt, als die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nach neuester Einschätzung für unschädlich hält – bei einem Verzehr von umgerechnet knapp einer Dose pro Woche. Mit den Ja! Tomaten geschält sind es immerhin noch gut viermal so viel, die restlichen Dosentomaten liegen irgendwo dazwischen.

„Öko-Test“ stellt fest: Alle überschreiten sie die neuerdings empfohlene Tageshöchstdosis um ein Mehrfaches. Einzig die Pomodorini Pelati, Kleine geschälte Tomaten von La Selva und die Naturata Geschälte Tomaten, Demeter aus dem Glas sind frei von BPA. Im Gesamturteil jedoch schneidet nur das Produkt von La Selva „gut“ ab, der Rest ist „befriedigend“ oder schlechter. Die Manufactum San Marzano Tomaten, ganz und geschält fallen mit „Mangelhaft“ durch.

Nur dieses Produkt erhält von „Öko-Test“ die Note „Gut“

Verbesserte Materialien, reduzierter Grenzwert

Es ist schon lange bekannt, dass BPA aus den Epoxidharzen, mit denen Konservendosen von innen lackiert sind, in Lebensmittel wandern kann. Deswegen verbessern Hersteller:innen ihre Dosenlacke bereits seit einigen Jahren. Im April 2023 aber hat die EFSA in einem Gutachten den „Tolerable Daily Intake“ (TDI) von BPA spektakulär abgesenkt. Seither liegt die unbedenkliche Tagesdosis der Chemikalie, die Du in Deinem Leben ohne Risiko aufnehmen könntest, bei nur noch 0,2 Nanogramm/Kilo (ng/kg) Körpergewicht. Das ist 20.000-fach niedriger als der zuletzt 2015 festgelegte TDI.

Woher kommt das BPA?

Was die Tester:innen allerdings überrascht hat: Sämtliche Anbieter:innen, die ihre Tomaten in Konservendosen abfüllen, versicherten bzw. belegten sogar mir Zertifikaten, dass sie sogenannte BPA-ni-Dosen verwenden würden, für deren Innenlacke gar kein BPA zum Einsatz kommt. Dass die sich inzwischen überall in der Umwelt ausbreitende Chemikalie also womöglich aus den Tomaten selbst stammt, hält „Öko-Test“ dennoch für wenig wahrscheinlich: Das beauftragte Labor hat in den einzigen beiden Testprodukten aus dem Glas trotz hypersensibler Methode kein BPA messen können.

Dieses Produkt schneidet bei „Öko-Test“ mit „Ungenügend“ ab

Grenzwert nicht bindend

Ein TDI ist aber kein rechtlich bindender Grenzwert. Die von „Öko-Test“ festgestellten BPA-Gehalte bewegen sich alle innerhalb des derzeit geltenden Migrationsgrenzwerts. Dieser schreibt vor, welche Menge der Chemikalie maximal aus einer Verpackung in Lebensmittel übergehen darf. Noch ist dieser vom vorherigen 20.000-fach höheren TDI abgeleitet. Die Tester:innen orientieren sich aber bereits an den aktuellen Empfehlungen für eine Tageshöchstdosis und ziehen für deren Überschreitung zwei Noten ab. Nicht berücksichtigt dabei ist, Du BPA womöglich auch noch über weitere Dosenlebensmittel oder aus ganz anderen Quellen zu Dir nimmst.

Keine Pestizide, kaum Schimmelpilzgifte

Abgesehen von BPA sind die getesteten Tomaten jedoch fast frei von kritischen Inhaltsstoffen. Weder bei den Bio- noch den konventionellen Produkten sind Pestizide ein Thema. Auch Hinweise auf Schimmelpilzgifte gibt es im Test vergleichsweise selten. Lediglich in den San Marzano Tomaten, ganz und geschält von Manufactum hat das Labor einen aus Sicht von „Öko-Test“ erhöhten Gehalt des Schimmelpilzgifts Alternariol (AOH) gemessen. Dieses war in Zellversuchen erbgutschädigend.

Öko-Test Konserventomaten Illu
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Herkunft nachvollziehbar, Anbaubedingungen kritisch

Keine:r der Hersteller:innen schummelt bei der Herkunftsangabe ihrer Tomaten. Bis auf zwei Produkte kommen alle Tomaten im Test aus Süditalien und nicht etwa aus China. Zwei Drittel der Anbieter:innen konnten ihre Lieferketten bis zu den einzelnen Landwirten auch vollständig belegen. Allerdings gibt es auch in Bella Italia ein paar Probleme. Die Arbeitsbedingungen auf den süditalienischen Tomatenfeldern sind berüchtigt. Laut Nothilfe- und Entwicklungsorganisation „Oxfam“ schuften dort Hunderttausende Migrant:innen in sengender Hitze und hausen in Baracken ohne fließend Wasser. Die Arbeiter:innen stammen häufig aus Afrika und haben häufig keinen legalen Aufenthaltstitel.

Wasserknappheit wird zum Problem

Im globalen Durchschnitt verbraucht ein Kilo Tomaten 214 Liter Wasser. Wenn Tomatenplantagen in wasserarmen Regionen liegen, können sie die Ökosysteme sehr stark belasten. Wie knapp das Wasser in bestimmten Regionen ist, bildet das ortsgenaue Analysetool „WWF Water Risk Filter“ auf Basis europaweiter Daten ab. Für die Naturata-Tomaten aus Spanien gilt hier schon Alarmstufe Rot.

Für die apulische Provinz Foggia, aus der ein Großteil der getesteten Tomaten kommt, zeigt die zehnstufige WWF-Skala bereits Risikostufe 7 an. Höchste Zeit für Hersteller:innen und Landwirt:innen, hier mit geeigneten Bewässerungsstrategien gegenzusteuern und die Ausbeutung der Wasserreserven zu stoppen. Bei einigen Anbieter:innen sieht „Öko-Test“ dafür schon gute Ansätze. Die „guten“ Pomodorini von La Selva kommen als einzige aus Norditalien, einer Anbauregion, die im Testvergleich noch am wenigsten unter Wassermangel leidet.

Die Testsiegerprodukte, die Testtabelle und das Gesamtergebnis findest Du im Detail im ePaper von „Öko-Test“.

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