Goji-Beere – Superfood oder Modefrucht?
Neben Chia-Samen, Acai und Co. reiht sich auch die Goji-Beere in die Liste der Superfoods ein. Wegen des Anteils an Vitaminen, Antioxidantien und Mineralien wird die Frucht oft als Wundermittel bezeichnet. Wissenschaftliche Belege dafür gibt es bislang nur wenige. Wie viel Power steckt tatsächlich in der roten Beere?
Kleine Beere, große Wirkung?
Soll man dem Hype um die exotischen Superfoods Glauben schenken, liegt der Schlüssel zu unserer Gesundheit, körperlicher Fitness und einem strahlenden Teint in der Hand von Acai, Chia oder Matcha. Auch der Goji-Beere wird so manche wundersame Wirkung nachgesagt. Die kleine rote Beere soll beispielsweise die Produktion des menschlichen Wachstumshormons ankurbeln, das Immunsystem stärken, Schlafprobleme lindern, die Hautalterung verlangsamen und sogar Krebs vorbeugen. Nicht umsonst wird sie auch als “Königin unter den Superfoods“ bezeichnet.
Jahrtausende alte Tradition als Arzneimittel
Ursprünglich stammt die Powerbeere aus China, wo sie bereits seit Jahrtausenden in der Traditionellen chinesischen Medizin als Arzneimittel eingesetzt wird. Aber nur weil etwas exotisch ist, aus fremden Ländern kommt oder seit Jahrhunderten in der asiatischen Küche oder Medizin verwendet wird, muss es nicht gleich ein Wundermittel sein.
Das bestätigt auch Dr. Hilde Steinecke, Biologin im Palmengarten in Frankfurt am Main. Derlei Produkte würden generell im Verdacht stehen „sehr gesund“ zu sein und dementsprechend auch oft hochpreisig vermarktet werden. „Man sollte bedenken, dass es den Bocksdorn auch bei uns als Neophyt gibt“, erklärt sie gegenüber CodeCheck.
Als Kulturpflanze fand die Goji-Beere ihren Weg von Asien nach Europa und ist in Deutschland auch als „Gemeiner Bocksdorn“ aus der Familie der Nachtschattengewächse bekannt. „Allerdings wächst er bei uns oft an Straßenrändern oder wird von Mehltau befallen, sodass ich die Beeren nicht sammeln und essen würde“, so Steinecke. In Supermarktregalen und Reformhäusern wird die Beere vorwiegend in getrockneter Form angeboten, es gibt auch Goji-Saft oder Nahrungsergänzungsmittel in denen Goji in Pulverform oder als Extrakt zur Anwendung kommt.
Vitamin-C-Gehalt vergleichbar mit Orangen und Erdbeeren
Aber was steckt nun tatsächlich in der vermeintlichen Wunderbeere? Die offizielle “US-Nährwertdatenbank USDA“ liefert eine erste Nährwertanalyse.
„Goji-Beeren enthalten demnach 46 Gramm Zucker, 13 Gramm Ballaststoffe, 190 Milligramm Kalzium, 6,8 Milligramm Eisen, 48 Milligramm Vitamin C und circa 16 Milligramm Carotinoide pro 100 Gramm“, zählt Silke Restemeyer von der “Deutschen Gesellschaft für Ernährung“ für CodeCheck auf.
Als Trockenfrucht besitze die Goji-Beere einen recht hohen Vitamin-C-Gehalt. 100 Gramm der Frucht seien beispielsweise vergleichbar mit 100 Gramm Orangen, 100 Gramm Erdbeeren oder 75 Gramm Kohlrabi.
„Betrachtet man den Vitamingehalt im Verhältnis zur Energiemenge - 349 Kilokalorien (kcal) pro 100 Gramm für getrocknete Goji-Beeren gegenüber 32 kcal/100 Gramm bei Erdbeeren oder 18 kcal/75 Gramm Kohlrabi - so sind die getrocknete Goji-Beeren die eindeutigen Verlierer“, so Restemeyer.
Viele Nahrungsergänzungsmittel mit Goji-Zusatz rühmen sich mit einem besonders hohen Gehalt an Vitamin C. Hier ist jedoch zu beachten, dass das enthaltene Vitamin C oft künstlich zugesetzt wird und somit nicht ausschließlich aus der Beere stammt.
Keine wissenschaftliche Bestätigung für die „Wunderwirkung“
Die meisten Studien, die sich mit der Wirkungsweise der exotischen Beeren beschäftigen wurden im Reagenzglas oder an Tieren durchgeführt. Die wenigen Humanstudien genügen kaum den wissenschaftlichen Kriterien. So erfolgten viele Untersuchungen beispielsweise nur mit sehr wenigen Probanden über einen zu kurzen Zeitraum, woraus sich keine aussagekräftigen Ergebnisse ableiten ließen. Die “Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) hingegen hat alle eingereichten Studien bezüglich der gesundheitsbezogenen Aussagen über die Goji-Beere überprüft.
Die Ergebnisse zeigen laut Restemeyer, „dass kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Behauptungen und der Einnahme von Goji-Beeren aufgezeigt werden konnte“.
Auch für die Vermutung Goji-Beeren enthalten in geringen Mengen toxische Inhaltstoffe wie Atropin, gibt es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege. Laut dem “Bundesinstitut für Risikobewertung“ konnten in den bisherigen Studien keine Hinweise auf schädliche Wirkstoffe bei den üblichen Verzehrmengen gefunden werden. Für eine abschließende Bewertung fehlen jedoch entsprechende Langzeitstudien, insbesondere an Risikogruppen, wie Schwangeren oder Kindern.
Gefährliche Wechselwirkung mit blutverdünnenden Medikamenten
Was jedoch in einer Analyse des “Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte“ im März 2013 bestätigt werden konnte, ist eine gefährliche Wechselwirkung der Goji-Beeren mit einigen Blut verdünnenden Medikamenten, wie beispielsweise Vitamin-K-Antagonisten. So scheinen die Beeren den Abbau dieser Medikamente zu blockieren, wodurch es zu einer gefährlichen Wirkstoffanreicherung und verstärkter Blutungsneigung kommt.
Erhöhte Pestizidbelastung
Was die Klimabilanz angeht, erhält das „Superfood“ leider auch Abzüge.
„Goji-Beeren haben meist lange Transportwege hinter sich und sind stärker mit Pestiziden belastet als anderes Obst“, sagt Restemeyer.
Jedoch wären die Rückstandshöchstwerte für eine gesundheitliche Unbedenklichkeit bisher nicht überschritten worden. Als Verbraucher sollte man am besten zu Bio-Ware greifen oder sich vom Verkäufer zusichern lassen, dass der Importeur seine Ware in spezialisierten Laboren auf Pestizide und Schwermetalle untersuchen lässt.
Heimisches Obst ist genauso gesund!
Nach Dr. Steineckes Meinung ist das angebliche Superfood eher eine Modefrucht: „Goji-Beeren sind sicherlich sehr gesund, wenn man sich aber ausgewogen ernährt und reichlich heimisches Obst und Gemüse isst, braucht man die Beeren nicht“.
Viele regionale Obstsorten sind genauso gesund und stehen den roten Beeren, was den Vitamingehalt betrifft in nichts nach. Steinecke empfiehlt unter anderem Brombeeren, Blaubeeren, Schwarze Johannisbeeren, Weintrauben oder Äpfel.