Unkraut als Unkrautvernichter?

Glyphosat-Ersatz: Biologisches Pflanzenschutzmittel aus Disteln

27. Mai 2018 von

Das seit Jahren umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat steht im Verdacht krebserregend zu sein, dennoch verlängerte die EU 2017 die Zulassung des zweifelhaften Unkrautvernichters für weitere fünf Jahre. Eine italienische Firma könnte dem Breitband Herbizid nun jedoch bald den Kampf ansagen – mit einem natürlichen Pflanzenschutzmittel aus Disteln.

Vom Nebenprodukt zum Bio-Herbizid

Unter Landwirten – und auch bei Hobbygärtnern – gilt die Distel als lästiges Unkraut, die mit ihrem mehrjährigen und spontanen Wuchs den Ertrag gefährdet. Gleichzeitig schützt der extrem genügsame Korbblütler die Felder mit seinem tiefen Wurzelsystem vor Bodenerosionen. Jetzt soll eine ihrer speziellen Eigenschaften die Distel zu einer potenziellen Glyphosat-Alternative machen.

Das Biokunststoff-Unternehmen „Novamont“, bei dem die italienische Chemikerin Catia Bastioli arbeitet, hat sich auf die Herstellung innovativer Zwischenprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen für die Verwendung in Bioplastik, Kosmetik und Reinigungsmitteln spezialisiert.

Die Idee für das natürliche Distel-Herbizid entstand jedoch eher nebenbei, als die Frage aufkam, wie man die sogenannte Pelargonsäure – ein Nebenprodukt der Distelölgewinnung – sinnvoll nutzen könnte. Zwar ist die Säure bereits bei der Geranie als herbizider Wirkstoff bekannt, für den großflächigen Einsatz war sie bisher jedoch nicht geeignet. Das italienische Unternehmen hat es nun geschafft, aus der Distel-Säure ein Bio-Herbizid für den Freilandeinsatz zu gewinnen.

Biologisch abbaubar und bodenfreundlich

Laut den Herstellern habe das Bio-Pflanzenschutzmittel aus Disteln im Gegensatz zu Glyphosat keinerlei negativen Auswirkungen auf die Umwelt, es soll biologische abbaubar sein und keine Rückstände im Boden hinterlassen.

Auch wirkt das innovative Mittel nicht systemisch. Konventionelle Pflanzenschutzmittel greifen nämlich die gesamte Pflanze an, die Distel-Säure trocknet hingegen lediglich die Blätter aus und lässt den Rest der Pflanze unberührt. Das biologische Mittel muss dadurch aber wesentlich häufiger eingesetzt werden und ist dementsprechend auch deutlich teurer als herkömmliche Herbizide.

Das könnte problematisch werden, denn der kostenintensivere Einsatz des Bio-Herbizids würde sich auch bei den Lebensmittelpreisen bemerkbar machen. Verbraucher sind aber laut Umfragen oft eher nicht gewillt, mehr Geld für ihre Nahrung auszugeben.

Zulassung bisher nur in Italien, Frankreich und Österreich

Außerdem fehlen derzeit Systeme für die großflächige Anwendung und vielerorts auch die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel, die nur mit sehr viel Aufwand und Geduld zu bekommen ist.

Eine Genehmigung gibt es bisher nur für den Einsatz auf Kartoffeläckern sowie im Wein- und Obstanbau und auf öffentlichen Grünflächen in Frankreich, Italien und Österreich.

Investitionen seien nach eigener Aussage der Chemikerin Bastioli schwer zu bekommen, solange in der EU keine verlässlichen Regeln zum Umgang mit Glyphosat existieren. Trotzdem will das Unternehmen weiter forschen, damit am Ende der Glyphosat-Zulassung sinnvolle Alternativen zum direkten Einsatz bereitstehen würden.

Glyphosatfreie Landwirtschaft geht auch umweltfreundlich und günstig

Gerade was die finanzielle Lage der Landwirte betrifft, ist Glyphosat eine komfortable sowie preisgünstige Lösung in Sachen Unkrautbekämpfung. Viele Betriebe proklamieren deshalb, sie könnten sich den Totalverzicht des Pflanzenschutzmittels und die damit einhergehenden Ernteeinbußen nicht leisten.

Die „Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft“ kann die wirtschaftlichen Zwänge, die die Bauern für den Einsatz von Glyphosat oft anbringen jedoch relativieren: Mit der richtigen Kombination aus erweiterten Fruchtfolgen, passenden Sorten, einem günstigen Zeitpunkt für die Aussaat, mechanischer Bodenbearbeitung und einem sehr gezielten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, wie beispielsweise der Distel-Alternative, könne man oft mehr erreichen als über den Dauereinsatz von Glyphosat.

Auch Urs Niggli vom „Forschungsinstitut für biologischen Landbau“ (FiBL) teilt diese Meinung. Laut ihm ist glyphosatfreie Landwirtschaft günstig sowie umweltfreundlich möglich, jedoch müsse dafür das ganze System umgestellt werden.

Glyphosat: Was ist das? – ein kurzer Hintergrund

Glyphosat ist das weltweit am meisten eingesetzte Pflanzenschutzmittel, jährlich werden knapp eine Million Tonnen des Herbizids auf die Äcker gesprüht, um die Felder von Unkraut zu befreien. In Deutschland werden jährlich auf etwa 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen rund 3.800 Tonnen Glyphosat eingesetzt.

Der Unkrautvernichter steht jedoch schon seit einiger Zeit scharf in der Kritik. Durch seinen Einsatz werden nicht nur Böden, Tierwelt und biologische Vielfalt bedroht – im Jahr 2015 stufte die „Internationale Krebsforschungsagentur“ (IARC) das Herbizid sogar als „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ ein. Die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ behauptete 2017 jedoch genau das Gegenteil. Ende 2017 hat die Europäische Kommission eine Verlängerung der Einsatzgenehmigung für das umstrittene Pflanzenschutzmittel erlassen.