Die Supermarkt-Revolution
Bunte Verpackungen mögen uns vielleicht bei der Kaufentscheidung ansprechen, dennoch landen sie meist schnell im Müll wenn man den Einkauf erst einmal nach Hause geschleppt hat.
Wer kennt das nicht? Man packt seine sorgfältig ausgesuchten Tomaten und Äpfel in ein Plastiksäckchen, nimmt noch eine oder zwei einzeln eingeschweisste Gurken dazu und bekommt an der Kasse zu guter Letzt noch eine grosse Plastiktasche, um den ganzen Einkauf sicher nach Hause zu bringen. Dort aber landen diese Traghilfen zusammen mit den ganzen anderen Verpackungen im Abfall und müssen dann aufwendig recycelt werden.
Viele der verwendeten Stoffe sind von einem bestimmten Punkt an nicht mehr wiederverwendbar und landen auf der Mülldeponie. Millionen Tonnen an Abfall wird so weltweit jährlich produziert, verschmutzt die Weltmeere, gelangt in unsere natürlichen Systeme und vergiftet unsere Umwelt. Die Reduktion dieser Abfallmengen stellt daher eine grosse Herausforderung für die gesamte Bevölkerung dar. Ein kleiner Supermarkt aus der deutschen Hauptstadt Berlin hat sich dieser Aufgabe angenommen.
Precycling statt Recycling
«Original-Unverpackt» heisst der erste, im September 2014 in Berlin-Kreuzberg eröffnete, Supermarkt der komplett auf Einwegverpackungen verzichtet. Sara Wolf und Milena Glimbovski, ehemals in einer Berliner Agentur beschäftigt, kamen auf die Idee, als sie nach einem gemeinsamen Einkauf die zahlreichen Tütchen und Dosen in den Abfalleimer schmissen. Das durch eine Crowdfunding-Kampagne finanzierte Projekt wurde Ende des letzten Jahres Realität und öffnete der neugierigen Kundschaft seine Pforten. Das Konzept ist simpel: Ausgewählte Waren werden ganz ohne Einwegverpackung verkauft. Bezahlt wird nur für das Produkt selbst. Man nimmt seine eigene Tüte mit um den Einkauf nach Hause zu tragen und kann mit Einmachgläser so viel Milch oder Shampoo abfüllen wie man gerade braucht.
Dieses Prinzip nennt sich «Bulk-Shopping» und ermöglicht den Kunden und Kundinnen sich Wunschmengen der Waren in Selbstbedienung aus den vorhandenen Behältern zu nehmen. Durch die so entfallene Verpackung wird aufwändiges Recycling erspart, weil diese erst gar nicht in Umlauf kommt. Zwar sei der Laden an der Wiener Strasse noch kein Megastore, betonen die zwei Jungunternehmerinnen, dennoch verfügt er schon über 400 verschiedene Artikel. Von Lebensmitteln, Naschwaren, Spirituosen, Kosmetik, Reinigungsmittel bis zu Büchern ist fast alles vorhanden was die Kunden brauchen. Das Sortiment soll in Zukunft ständig erweitert und verbessert werden. Anregungen der Kunden seien herzlich willkommen, heisst es auf der Homepage der gebürtigen Schweizerin und ihrer deutschen Kollegin.
Den Nerv der Zeit getroffen
Der Erfolg gibt den beiden Pionierinnen Recht. Seit der Laden Ende vergangen Jahres eröffnet wurde, rennen die Leute ihnen die Bude ein. Nun sollen zwei Ableger des Berliner Supermarktes in die Schweiz kommen. In Zürich und Basel sind zwei Filialen geplant. Gesucht wird momentan noch nach geeigneten Franchise-Nehmern. Wenn alles nach Plan läuft wird man ab 2016 in den zwei Schweizer Städten verpackungsfrei einkaufen können. Dass die Supermarkt-Revolution auch hier zu Lande gelingen könnte ist sehr wahrscheinlich. Schliesslich sind Herr und Frau Schweizer vorbildlich im Recyceln und bemühen sich immer mehr um ein nachhaltigeres Leben. Bio und Fitness ist In, und so steht der Umsetzung eines neuen Supermarkt-Konzeptes in der Schweiz nichts im Wege.
Die Idee des verpackungslosen Einkaufens stammt aus der Zero Waste Bewegung. Die Philosophie beschreibt Entwicklungen, welche die Wiederverwendung von Ressourcen fördern, bis hin zu einer Ökonomie vollständig geschlossener Ressourcenkreisläufe. Dabei geht es nicht nur um Lebensmittel, sondern darum schrittweise alle Bereiche des Alltags in ein nachhaltigeres Leben zu ändern. Ob Textilien, Kosmetik oder Möbel – vieles kann mit einem gewissen Aufwand und genügend Motivation wiederverwendet oder abfalllos produziert werden.
Zu Anfang mag es vielleicht schwer fallen, die geeigneten Läden zu finden, in denen man die Konfitüre in seine eigenen Einmachgläser abfüllen und das Brot in aus alter Bettwäsche genähte Stoffbeutel eintüten kann. Auch der Preis einzelner Artikel könnte zu Beginn etwas teurer ausfallen als im Discounter um die Ecke.
Wer frisch und nachhaltig einkaufen will muss meistens in einen Bio-Laden oder eine kleine Molkerei gehen, wo die Lebensmittel ein bisschen teurer sind als in den grossen Supermarktketten. Im Quartierladen überzeugen aber meistens Qualität und Service. Und falls sich der Trend von Zero Waste weiter durchsetzt, könnten in Zukunft auch in der Migros oder im Coop sogenannte «Plastikfreie Zonen» entstehen. Für mich, für dich und für eine sauberere Umwelt.