Bio-Lebensmittelgroßhändler in der Kritik
Gutes Bio, schlechtes Bio: Welche Bio-Lebensmittel soll man noch kaufen – und vor allem wo? Alnatura, der Platzhirsch unter den Bio-Großhändlern, stand wegen seiner Mitarbeiterpolitik in der Kritik.
„Das moderne Sklaventum hat sich bei Alnatura durchgesetzt“ beklagten Alnatura-Mitarbeiter 2012 in einem Brief an das Newsportal Echo. Von schlechten Arbeitsbedingungen und unfairen Löhnen war die Rede. Und das, wo Alnatura erst ein Jahr zuvor mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet wurde. Öko-Test hat in seiner diesjährigen Oktober-Ausgabe erneut einen Blick auf Bio-Lebensmittelgroßhändler am Beispiel von Alnatura geworfen.
Platzhirsch Alnatura
Seit Jahren wächst Alnatura schneller als der gesamte Bio-Lebensmittelmarkt. Mit fast 600 Millionen Euro Umsatz ist Alnatura im Naturkostfachhandel unbestrittener Platzhirsch. Das 1984 gegründete Unternehmen hat heute bereits bundesweit 89 Filialen. Während die Alnatura-Produkte zunächst noch als Shop-in-Shop-Angebot bei DM und Tegut erhältlich waren, eröffnete 1987 der erste eigene Alnatura-Markt in Mannheim. Allerdings sind bis heute die wichtigsten Vertriebswege für Alnatura nicht die eignen Märkte, sondern die derzeit rund 3.700 Filialen der Handelspartner in 14 Ländern.
Was Viele überrascht: Alnatura stellt seine Produkte nicht selbst her, sondern vertreibt sie nur. Im Moment führt das Unternehmen 1.100 Produkte im Sortiment, die von 136 Partnern hergestellt werden. Laut Alnatura werden die Produkte zu 96 Prozent von kleinen und mittelständischen Unternehmen produziert. Hier bemüht sich Alnatura nach eigenen Aussagen um faire Bedingungen und langfristige Kooperationen.
Alnatura in der Kritik
„Alnatura – sinnvoll für Menschen und Erde,“ lautet der Slogan, den sich das Unternehmen auf die Fahne schreibt. Dennoch steht Alnatura seit 2009 in der Kritik. Mitarbeiter erhoben schwere Vorwürfe: Sie seien in den Filialen nicht nach Tarif bezahlt wurden und die Atmosphäre sei schlecht. „Wir trauern um den Spirit von Alnatura“, war ein offener Brief von Mitarbeitern aus dem Jahr 2012 überschrieben.
Alnatura reagierte schnell und zahlt eigenen Angaben zufolge seitdem Gehälter gemäß der Einzelhandelstarife der jeweiligen Bundesländer. Unternehmenssprecherin Stefanie Neumann erklärte gegenüber Öko-Test, dass Alnatura den Manteltarifvertrag gemäß den Bedingungen der verschiedenen Bundesländer berücksichtige und zudem auch Sonderzahlungen und Zuschläge zahle. Bemängelt wurde von den Kritikern auch das Fehlen von Betriebsräten. Seitdem wurde aber erst in einer Filiale auf Wunsch der Mitarbeiter ein Betriebsrat eingerichtet. Diesen Umstand erklärt Neumann mit den flachen Hierarchien bei Alnatura.
Öko-Test kritisiert aber auch die Reaktion von Alnatura auf Produkttests. Negative Resultate werden zwar auf der Alnatura-Website veröffentlicht, allerdings fehle es dem Unternehmen oft an Einsicht, so Öko-Test. Dies sei besonders bei zwei Tests von Produkten für Babys und stillende Mütter aufgefallen. Der Alnatura Dinkel Milchbrei schnitt 2014 im Test mit „mangelhaft“ ab, ebenso wie der Alnatura Stilltee. Beide Produkte waren mit Schadstoffen belastet. Alnatura versuchte in beiden Fällen die Belastungen herunterzuspielen und die Kundschaft zu beschwichtigen. „Von einem Bio-Anbieter erwarten wir mehr Engagement“, stellt Öko-Test fest.
Kein Einzellfall
Nicht nur Alnatura, auch andere Bio-Großhändler müssen sich großer Kritik stellen. So zahle die Berliner Supermarktkette „Bio Company“ zu niedrige Löhne wie die Gewerkschaft Verdi im Jahr 2012 bemängelte. Auch müssten bei der Bio-Supermarktkette „denn's“ Arbeiter gemäß einiger Vorwürfe zu lange für zu wenig Geld arbeiten. Die Branche erklärt die Lohnproblematik mit der Umsatzsituation von Bio-Produkten. Die Verkaufszahlen sind im Vergleich mit konventionellen Nicht-Bio-Produkten verschwindend gering. Nur 3,77 Prozent Lebensmittel und Getränke mit dem Prädikat „bio“ wurden 2013 in Deutschland im Vergleich zum Gesamtmarkt verkauft. Außerdem stehen auch Biomärkte unter enormem Wettbewerbsdruck. Ähnlich wie im restlichen Einzelhandel wird der Kampf um Kunden in erster Linie über den Preis ausgefochten.
Dieser Preiskampf wirkt sich nicht zuletzt auf die Qualität der Bio-Produkte aus. In der Reportage „Wie billig kann Bio sein“ vom 03.09.2012 berichtete das Erste über Preisdumping und Qualitätsverluste bei Bio-Lebensmitteln. Da die Nachfrage nach „bio“ steigt, bieten immer mehr Discounter ein Bio-Sortiment an. Aldi, Edeka, Penny, Netto und Co., aber auch renommierte Bio-Anbieter wie Alnatura drücken die EK-Preise für Bioprodukte. Dadurch werden die Produzenten gezwungen, Biofleisch, Biogemüse und -obst zunehmend als Massenware zu produzieren und die Ansprüche an Bioqualität auf ein Mindestmaß zu senken.
Was kann man als Verbraucher tun?
Mit dem bekannten sechseckigen Bio-Siegel können in Deutschland Produkte versehen werden, die den EU-Normen entsprechen. Das EU-Biosiegel steckt die Grenzen für „biologisch“ aber teilweise zu weit, wie Kritiker anklagen. Es wurden immer wieder fragwürdige Inhaltsstoffe in Produkten mit dem EU-Siegel gefunden.
Beim Einkauf von Bioprodukten sollte man also auf Siegel der deutschen Bio-Verbände achten: Biokreis, Bioland, Biopark, Demeter, Ecoland, Ecovin, Gäa oder Naturland. Denn deren Vergabekriterien sind weitaus strenger und reichen über jene der EU hinaus.
Wer es ganz genau wissen will, bekommt zudem mit der Initiative „Bio mit Gesicht“, an der unter anderem Demeter, Naturland, und tegut teilnehmen, die Möglichkeit, die Herkunft der gekauften Ware selbst zu überprüfen.
Diese besonders ausgezeichneten Produkte sind natürlich auch etwas teurer, als das „Bio-Discount-Produkt“. Doch greift der Konsument öfter zu qualitativ hochwertiger Bioware, kann das auch ein Statement an die Unternehmen sein: Günstig ist gut, aber nicht um jeden Preis!