Acrylamid: Dieser Stoff macht Pommes und Kaffee gefährlich
Seit dem 11. April 2018 sind Pommes-Verkäufer in Europa verpflichtet, auf die korrekte Lagerung ihrer Kartoffeln zu achten. Nur wenige Wochen zuvor forderte ein Richter in Kalifornien Kaffeehausketten auf, künftig auf ihren Kaffee-Produkten vor Krebsrisiken zu warnen. Die Geschichte hinter diesen beiden Nachrichten hat eine Gemeinsamkeit: Acrylamid.
Acrylamid ist ein Stoff, der sich beim Backen, Braten, Grillen und Frittieren von Kartoffel- und Getreideprodukten bildet: zum Beispiel in Chips, Kartoffelpuffern, Pommes, Knäckebrot, Toastbrot, Frühstückscerealien, Lebkuchen, Crackern oder Keksen. Die chemische Substanz entwickelt sich langsam, wenn der in den Lebensmitteln enthaltene Zucker (dazu zählt auch Stärke) mit der Aminosäure Asparagin über 120 Grad Celsius erhitzt wird.
Nachdem erstmals 2002 im Tierversuch festgestellt wurde, dass Acrylamid Krebs auslöst und das Erbgut schädigt, steht der Stoff nun nach weiteren Forschungen inzwischen im Verdacht, beim Menschen ebenfalls Krebs erzeugend und erbgutschädigend zu wirken. In ihrem Gutachten vom 4. Juni 2015 hatte die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) Acrylamid als Problem für die öffentliche Gesundheit bezeichnet.
Professor Alfonso Lampen, Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit beim „Bundesinstitut für Risikobewertung“ erklärt gegenüber der „Apotheken Umschau“, dass Acrylamid zunächst in der Leber umgebaut werde, das Reaktionsprodukt sich dann an die Erbsubstanz DNA hefte – die gebundene Substanz könne die Bausteine des Erbguts verändern. Damit habe sie das Potenzial, Krebs zu verursachen.
Als vorsorgenden Gesundheitsschutz trat im April 2018 eine Verordnung der EU-Kommission mit Vorgaben für die Verarbeitung von stärkehaltigen Nahrungsmitteln in Kraft.
Verordnung soll Acrylamidgehalte reduzieren
Um Acrylamidwerte möglichst gering zu halten, verlangen die Vorschriften beispielsweise von Herstellern von Pommes und Chips, unter anderem Kartoffelsorten mit wenig Stärke zu verarbeiten. Außerdem sollen sie die Stärke so weit wie möglich auswaschen – die zur Herstellung von Pommes frites geschnittenen Streifen müssen beispielsweise vor dem Vertrieb in Wasser eingelegt oder blanchiert werden.
Zudem müssen Produkte bei niedrigen Temperaturen frittiert oder geröstet werden und auch die Kartoffelknollen nur eine bestimmte Zeit und nur bei sechs Grad Celsius gelagert werden, weil sonst mehr Stärke zu Zucker abgebaut wird, was wiederum die Bildung von Acrylamid begünstigt.
Für Verwerter und Weiterverkäufer wie Restaurants, Schnellimbisse und Bäckereien gelten weniger strenge Regeln und es findet keine Überprüfung der Richtwerte statt. Beispielsweise sollen Pommes oder Brot nur so braun wie nötig frittiert oder gebacken werden und das Fett, in dem die Speisen sich kurzzeitig befinden, regelmäßig ausgetauscht werden.
Eine Höchstmenge oder ein Grenzwert, bis zu denen Acrylamid kein gesundheitliches Risiko darstellt, lässt sich übrigens nicht festlegen. Deshalb wurden auch „nur“ die Acrylamid-Richtwerte im Vergleich zu den bisher geltenden EU-Empfehlungen herabgesetzt – zwischen sechs und 75 Prozent.
Schadstoff auch in Kaffee
Auch die Betreiber von Cafés müssen prüfen, ob ihr Betrieb die seit Mitte April 2018 verbindlichen Vorgaben der Europäischen Union einhält. Denn auch beim Rösten von Kaffeebohnen entstehen bedeutsame Mengen Acrylamid.
Ein Umstand, der Kaffeeröstern in Kalifornien Probleme bereitet. Die Nichtregierungs-Organisation „CERT“ hatte nämlich gegen die Kette „Starbucks“ und 90 weitere Unternehmen geklagt. Ihr Vorwurf: Die Firmen hätten nicht auf Gefahren hingewiesen, die von ihren Produkten ausgehen. Konkret bezog sich „CERT“ auf das Acrylamid, das bei der Röstung entsteht.
Da weder „Starbucks“ noch ein Mitangeklagter den Gegenbeweis antreten konnten, entschied der zuständige Richter im Sinne der Organisation. Daher müsste die Branche in Zukunft etwa mit Hinweisen an den Bechern vor einer möglichen Krebsgefahr durch das Trinken ihres Kaffees warnen. Allerdings haben die Unternehmen Widerspruch eingelegt; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Wie kann ich zu Hause eine Acrylamid-Bildung vermeiden?
Kennzeichnungen und Richtlinien schön und gut. Aber der beste Schutz ist die Vermeidung von Acrylamid. Das „Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft“ empfiehlt unter anderem in seiner Broschüre „Unerwünschte Stoffe, die beim Erhitzen von Lebensmitteln entstehen: Acrylamid & Co.“:
- gekochte Kartoffel- und Getreidespeisen gegenüber gebratenen und frittierten Gerichten zu bevorzugen
- wenn man Kartoffel- und Getreideprodukte brät, backt, röstet oder frittiert, sollte man sie nicht zu stark bräunen
- da die Acrylamidbildung bei Temperaturen von über 120 Grad Celsius beginnt und bei 170 bis 180 Grad sprunghaft ansteigt, empfiehlt es sich, den Ofen beim Backen maximal auf 180 Grad mit Umluft und 200 Grad ohne Umluft zu stellen
- Kartoffeln nur vorgekocht anbraten, bis sie goldgelb sind
- Zum Frühstück besser Haferflocken als Cornflakes und andere Cerealien essen
- Größere Pommes sind günstiger, weil Acrylamid vor allem an der Oberfläche entsteht; Dasselbe gilt beim Backen von Weihnachtsplätzchen
- Getreide bildet unterschiedlich viel Acrylamid. Mais und Reis haben am wenigsten, es folgen Weizen, Hafer und Roggen in aufsteigender Reihenfolge
- Bei Kaffee besser Arabica- anstelle von Robusta-Bohnen wählen, keinen Instant- oder Zichorienkaffee
Wie viel Acrylamid Du selbst aufnimmst, kannst Du übrigens über ein spezielles Programm des „Bundesinstituts für Risikobewertung“ selbst bestimmen.