Wozu braucht's eigentlich Mücken und Zecken?
Das Wort „Parasit“ sagt ja wohl alles. Sie gehen uns auf den Keks und übertragen auch noch Krankheiten. Doch die Plagegeister sind wichtiger für die Natur als bisher angenommen.
Wie oft bist du schon mitten in der Nacht aufgewacht und hast dich total über das Surren an deinem Ohr aufgeregt? Gleich nach dem ersten Ärger musst du dich auch noch überall kratzen, weil dich die Dinger an allen unmöglichen Stellen gestochen haben. Nervig. Das war’s dann gewesen mit dem erholsamen Schlaf.
Und wer mag schon Zecken, Flöhe oder Milben? Bestimmt hat sich jede Leserin und jeder Leser schon einmal gefragt, welchen Sinn diese Lebewesen auf der Welt haben. Natürlich beschäftigt sich auch die Wissenschaft mit dieser Frage.
Wichtige Rolle in der Nahrungskette
Wissenschaftler der University of California haben zum Beispiel Beweise geliefert, dass Parasiten eine entscheidende Rolle im Öko-System wahrnehmen. Nein, sie sind nicht einfach nur da, weil sie sich über Jahrmillionen erfolgreich vermehrt und ökologische Nischen geschickt ausgenutzt haben (was ja im übrigen eine Leistung ist, die kaum einer anderen Gattung je gelungen ist).
Sie bieten vor allem eins: Futter für andere Tiere. Generell kann man sagen, dass parasitäre Lebewesen rund die Hälfte aller lebenden Arten ausmachen. Ryan Hechinger, Forscher an der kalifornischen Universität hat erforscht, dass Insekten in verschiedenen amerikanischen Flussmündungen genauso viel Biomasse ausmachen wie Vögel, Fische oder Krebse. Mücken, Zecken und Würmer sind äusserst nahrhaft und zudem die Nahrungsgrundlage für viele andere Tierarten. Wenn man sie ausrotten würde, verhungerten die meisten anderen Lebewesen.
Parasiten bringen Nutzen
Forscher der Universität Bern und der University of Jyväskylä in Finnland gehen sogar so weit, dass sie behaupten, dass Parasiten als Katalysatoren in der Evolution fungieren: Weil Insekten andere Arten stören, verändern sich diese schneller. Am Beispiel einer Koalaart erklärt: Durch eine von Stechmücken übertragene Krankheit wird ein Teil einer australischen Koalakolonie dahingerafft. Ein kleiner Teil der Kolonie ist jedoch immun gegen die Krankheit und diese gesunden Tiere pflanzen sich nun erfolgreich fort. Ihre Nachkommen tragen die immunen Gene in sich und ein größerer Teil der zuvor tödlichen Parasiten können ihnen wahrscheinlich nicht mehr schaden. Darwinismus pur.
Auch scheinen Würmer linear mit der Anzahl Allergien und Autoimmunerkrankungen zusammenzuhängen. Das zumindest sagt die „Wurm-Hypothese.“ Sie besagt, dass Parasiten das Immunsystem von Menschen herausfordern. Wenn sie wegfallen, hat die körpereigene Abwehr nichts mehr zu tun – und verkümmert oder richtet sich gegen die eigenen Zellen.
Eine weitere wichtige Aufgabe von Parasiten: Sie halten die Populationsdichte ihrer Wirtstiere in Schach. Ein intaktes Ökosystem würde beispielsweise dafür sorgen, dass keine eingeschleppten faustgroße afrikanische Schnecken Häuserfassaden in Florida auffressen könnten.
Gesunder Knabberspaß
Um auf die Futterthematik vom Anfang des Berichts zurückzukommen: Ab Mitte 2016 dürfen in der Schweiz voraussichtlich Insekten in Restaurants und im Handel angeboten werden. Bis anhin ist der Verzehr von Insekten in der Schweiz so gut wie inexistent, wenn auch nicht verboten. Denn anscheinend schmecken Heuschrecken, Mehlwürmer und Grillen ganz ausgezeichnet. Das sagt zumindest Matthias Grawehr vom Jungunternehmen Essento, das Delikatessen aus Insekten herstellt.
Jetzt nur nicht aufregen: In vielen asiatischen Ländern sind Insekten inzwischen sowas wie Grundnahrungsmittel. Weltweit werden über 1900 Arten gegessen, am meisten Käfer, Raupen, Bienen und Ameisen.
Auch aus ökologischer Sicht könnten Insekten eine Alternative zur bisherigen Fleischproduktion sein: Für ein Kilo Körpermasse benötigen Insekten lediglich zwei Kilo Futter – sechsmal weniger als ein Rind und halb so viel wie ein Schwein. Die Aufzucht von Insekten verursacht zudem kaum Treibhausgase, benötigt wenig Platz und billig ist die Produktion auch noch. Zudem könnten Insekten die Fitness-Szene revolutionieren: Die wechselwarmen Tiere sind wahre Proteinbomben.
Momentan gestaltet sich die Gesetzeslage aber noch so, dass Bewilligungen für den Vertrieb bei der Bundesverwaltung eingeholt werden können.