Wieso kann man Lebensmittel patentieren?
Knapp 200 Patentanmeldungen auf Tiere, Pflanzen und Lebensmittel aus konventioneller biologischer Züchtung wurden in den letzten Jahren vom EU-Patentamt genehmigt. Laut Biopatentrechtlinie ist das eigentlich verboten. Doch es gibt Schlupflöcher und so wächst die die Monopolstellung großer Konzerne weiter.
Seit Jahren herrscht ein erbitterter Streit zwischen Politik, Unternehmen und Umweltschützern in der Patent-Debatte. Die jüngsten Patentanmeldungen der Biergiganten „Carlsberg“ und „Heineken“ heizten den Interessenskonflikt weiterhin an. Gleich drei Patente konnten diese sich für ihre energieeffizient gezüchtete Braugerste sichern – offiziell genehmigt vom EU-Patentamt. Zahlreiche NGO’s erhoben Einspruch gegen diese Entscheidung. Sie sehen einen Verstoß gegen die Biopatentrichtlinie, welche die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen regulieren soll.
Wie viel Privatisierung ist erlaubt?
Nach der gültigen Rechtslage dürfen neben kompletten Tierrassen und Pflanzensorten nämlich auch keine Produkte aus „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ patentiert werden. Damit sind vor allem konventionelle Zuchttechniken durch Kreuzung und Selektion gemeint.
Wird jedoch das Erbgut von Tieren oder Pflanzen durch gentechnische Verfahren gezielt verändert, dürfen die Züchter ein Patent anmelden. Die Begründung: Das „Endprodukt“ stellt keine neue Tierrasse bzw. Pflanzenart dar, sondern ist eine Erfindung – eine Innovation, wenn man so will – und die kann man sich schützen lassen.
So ließ sich beispielsweise der kritisch betrachtete Agrarkonzern „Monsanto“ eine speziell gezüchtete Brokkoli-Sorte der britischen Firma „Plant Bioscience“ patentieren. Diese Sorte enthält besonders viele Glucosinolate, die vor Krebs schützen sollen. Der Konzern vermarktet das Gemüse nun sehr erfolgreich in den USA und Großbritannien.
Das EU-Patentamt hat in den letzten Jahren knapp 200 Patente auf Produkte aus konventionellen Zuchtverfahren genehmigt, weitere 1200 sind in der Warteschlange. Wie kann das sein?
Mutagenese als Schlupfloch aus dem Patentverbot
Juristische Tricksereien der Konzerne machen das möglich. Vor der Durchführung konventioneller Zuchtverfahren müsse lediglich das Erbgut auf zufällige Art und Weise verändert worden sein.
Mutagenese nennt sich dieser Prozess. Mithilfe einer chemischen Substanz können so mehrere oder auch zufällige Mutationen einzelner Genomabschnitte oder Gensequenzen entstehen. Anschließend geht es nur noch darum, welche der Mutationen im Hinblick auf die Vermarktung des Produkts, die profitabelste Variante für den Konzern ist.
So auch bei „Carlsberg“ und „Heineken“. Die Braugerste war ein zufälliges Erzeugnis der Mutagenese und die Patentierung nach gegenwärtigem Recht also erlaubt. Bedeutet: Andere Bierunternehmen machen sich bei Verwendung der speziell gezüchteten Gerste strafbar. Selbst wenn sie Pflanzen mit ähnlichen Eigenschaften verwendet oder das Endprodukt mit einem komplett anderen Verfahren hergestellt haben. Im Ernstfall drohen sogar Schadensersatzklagen.
Monopolstellung der Konzerne wächst weiterhin
Bundestagsabgeordneter Harald Ebner von den Grünen zeigt sich im „Deutschlandfunk“ empört: „Dann sind wir wirklich in der Privatisierungsspirale unserer Ernährungsgrundlage. Dann droht uns auch, dass Weizen und das daraus gebackene Brot patentiert wird.“
Die angehende Patentflut auf Pflanzen, Tiere und Lebensmittel aus konventionellen Züchtungsverfahren stellt zusätzlich eine Art „Innovationsbremse“ dar, wie es auch im Antrag des Bundestages heißt.
Fünf Unternehmen kontrollieren 75 Prozent des EU-Marktes für Mais
Ein Problem der Patente: Wettbewerb und biologische Artenvielfalt gehen verloren, da kleine Züchter keinerlei Chance haben an das patentierte Saatgut und die Erzeugnisse der Riesenkonzerne heranzukommen, obwohl sie eigentlich darauf angewiesen wären.
Problematisch ist auch, dass die Konzern-Sorten hauptsächlich für die industrialisierte Landwirtschaft geschaffen wurden. So sind diese zwar ertragreich aber auch abhängig von Kunstdünger und Pestiziden. Alternativen zum Saatgut der Unternehmen gibt es fast nicht. Regionale Bauern und Züchter sehen sich also der immer weiter anwachsenden Monopolstellung der Konzerngiganten gegenüber.
Schon jetzt kontrollieren nur fünf Unternehmen 75 Prozent des EU-Marktes für Mais-Saatgut und knapp 95 Prozent des Gemüsemarktes.
Entscheidung des Patentamtes Ende Juni
Ende Juni soll der Verwaltungsrat des Patentamtes nun beschließen, ob Erzeugnisse aus Mutagenese-Verfahren und damit die so entstehenden Endprodukte aus „konventionellen“ Verfahren weiterhin patentierbar bleiben.
Auch der Bundesregierung sollte diese Entscheidung am Herzen liegen, ein Verbot von Patenten auf die Produkte aus konventioneller Züchtung steht sogar in ihrem Koalitionsvertrag.