Wie giftig sind Tattoo-Farben?
Früher schmückten sich vor allem Seeleute oder Verbrecher damit - heute ist das Tattoo salonfähig geworden. In allen Farben und Formen kommen die Körperbemalungen derzeit daher. Jeder fünfte Deutsche ist mittlerweile tätowiert - Tendenz steigend. Über die Zusammensetzung der Farben und die Langzeitwirkung von Farbpigmenten im Körper ist allerdings wenig bekannt. Zeit also, sich die Tattoo-Inhaltsstoffe mal etwas genauer anzusehen.
Was darf alles unter die Haut?
Laut einer aktuellen Umfrage des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht nur die Hälfte der Befragten eine gesundheitliche Gefahr von Tätowierungen ausgehen. Bei den Menschen, die sich bereits stechen ließen, sind es sogar ganze 90 Prozent, die die permanente Körperbemalung für unbedenklich halten. Die Tätowierfarbe hingegen wurde nur bei zwölf Prozent der Befragten, die Tätowierungen für gesundheitsschädlich einschätzten, kritisch gesehen. Doch das BfR warnt: Genau in dieser lauern noch viele unerforschte Gefahren.
Denn was da genau ein Leben lang unter die Haut kommt, ist in Deutschland nicht ausreichend geregelt. Zwar gibt es seit dem Jahr 2009 eine Tätowiermittel-Verordnung. “Der Gesetzgeber reguliert in der Verordnung aber nur, welche Inhaltsstoffe in Tattoo-Farben und Permant-Make-Up verboten sind, weil bei ihnen definitiv ein Gesundheitsrisiko bekannt ist”, so Dr. Ruta Almedom, wissenschaftliche Leiterin bei CodeCheck. “Das sind zum Beispiel giftige und krebserregende Azofarbstoffe oder para-Phenylendiamin (CI 76060). Diverse Kritische Stoffe wie beispielsweise 1,2 Benzisothiazol-3(2H)-on oder das rote Pigment CI 56110 sind hingegen nicht reguliert.” Ein Missstand ist auch, dass für Tätowierfarben im Gegensatz zu der Regelung für Kosmetikfarbstoffe keine Positivliste existiert.
Und das obwohl es über die Langzeitwirkung von Tattoo-Farben im Körper kaum wissenschaftliche Studien gibt. Stattdessen wird der Hersteller für die Sicherheit der Mittel verantwortlich gemacht. Zu den Herstellern zählen sowohl die Unternehmen, die Farben produzieren, als auch die Tätowierer, die im Studio Farben mischen und aufbewahren. Auch die Deklarationspflicht für Tattoo-Farben fordert nur, dass Hersteller die Inhaltsstoffe nennen müssen, mehr nicht.
Aus was besteht die bunte Farbenpracht?
Die meisten Tätowierer benutzen zum Tätowieren eine elektrische Tätowiermaschine. Mit einer Frequenz von circa 10.000 Stichen pro Minute bringen die Nadeln die Tattoo-Farbe ein bis drei Millimeter tief in die Haut. Die Farbe dringt durch die oberste Schicht (Epidermis) in das eigentliche Ziel ein, die darunterliegende Lederhaut (Dermis). Manchmal gelangt sie jedoch auch bis in die Unterhaut (Subkutis).
In die Dermis eingebracht, sollen Tattoos gut aussehen und vor allem lange halten. Das Problem: “Die Pigmente werden vom körpereigenen Immunsystem langsam abgebaut und im Körper weiter transportiert. Langzeitstudien, die ihre Wirkung vollständig aufklären, stehen noch am Anfang”, so Dr. Almedom. “Tattoo-Farben bestehen aus einer Trägerflüssigkeit, die vor allem aus Löse- und Verdickungsmitteln und Konservierungsstoffen zusammengesetzt ist, und den Farbpigmenten.” Das rote Pigment CI 56110 wird beispielsweise auch als Lackfarbe „Ferrari Rot" verwendet. Im dortigen Sicherheitsdatenblatt heißt es „ Nach Hautkontakt: Verunreinigte Kleidung entfernen. Sofort mit viel Wasser und Seife abwaschen, Schutzhandschuhe tragen." Eine Farbe die also nicht mit der Haut in Kontakt kommen sollte, wird beim Tätowieren unter die Haut gebracht. Kann das “gut” sein?
So etwas wie ein sicheres “Grundrezept” oder eine Standardliste von Substanzen, die in Tattoo-Farben verwendet werden, gibt es bisher wegen der fehlenden Positivliste nicht. Kosmetikinhaltsstoffe werden im Vergleich dazu klar reguliert und müssen umfangreiche Test bestehen um zugelassen zu werden. Deswegen ist es auch nicht ausgeschlossen, das - vor allem auch bei Herstellern aus dem Ausland und bei Farben, die auf dem Schwarzmarkt gekauft wurden - bedenkliche Stoffe enthalten sind.
Das wurde schon alles in Farben gefunden
Dem BfR zufolge ist etwa jeder fünfte Deutsche tätowiert, bei den 16- bis 29-Jährigen ist es fast jeder Vierte. In verschiedenen stichprobenartigen Untersuchungen wurden jedoch schon bedenkliche Bestandteile in Tätowiermitteln gefunden. Der Großteil der Tattoo-Tinten ist aus organischen Pigmenten. Darüber hinaus würden aber auch gesundheitlich problematische Substanzen und Schwermetalle wie Nickel, Chrom, Mangan oder Kobalt gefunden. Neben Ruß („Carbon black") als schwarzem Farbpigment ist das weiße Titandioxid der zweithäufigste Inhaltsstoff. Obwohl Nickel ein Kontaktallergen ist, auf das viele Menschen allergisch reagieren, kommt es trotzdem selten zu Hautausschlägen nach einer Tätowierung.
Die „Stiftung Warentest“ hat 2014 zehn verschiedene Tattoo-Farben genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: In keiner Farbe wurden die verbotenen Substanzen aus der Verordnungsliste gefunden. Trotzdem hatten die Prüfer an allen Farben im Test etwas zu bemängeln. In sechs Farben wurden Inhaltsstoffe gefunden, die Allergien auslösen können, wie Nickelspuren. Zwei Farben beinhalteten die Konservierungsstoffe Benzisothiazolinone oder Methylisothiazolinone, die als krebserregend gelten. Vor allem aber kritisierten die Stiftung fehlende Hinweise in den Inhaltsstofflisten auf den Packungen.
So reagiert der Körper auf Tattoo-Farbe
Ist die Farbe erst einmal unter der Haut, registriert der Körper die Farbpigmente als Fremdkörper und versucht sie abzubauen. Das ist ein ganz normaler Schutzmechanismus. Die größeren Pigmente bereiten dem Körper mehr Arbeit. Sie werden eingekapselt und dauerhaft in der Lederhaut eingelagert. Über die Jahre baut der Körper circa ein Drittel der anfänglichen Farbmenge ab.
Kurz nach der Tätowierung wird der flüssige Teil der Farbe, also die löslichen Hilfs- und Konservierungsmittel, und kleinere und kleinste Farbpartikel über die Blut- und die Lymphbahnen abtransportiert. Diese Mikro- und Nanopartikel gelangen so von der Haut in den Blutkreislauf und in die inneren Organe. Vor allem in den Lymphknoten, der Filterstation für Schadstoffe im Körper, lagern sich die Pigmentteilchen ab. Obduktionen haben gezeigt, dass sich die umliegenden Lymphknoten tätowierter Hautareale durch die eingelagerten Farbpigmente langfristig verfärben. Das kann besonders dann kritisch werden, wenn problematische Substanzen in den Tattoo-Farben enthalten sind. Zwar steht im Verdacht, dass diese Farbpigmente eine krebserregende Wirkung haben – entsprechende Studien, die das bestätigen, fehlen zurzeit aber noch. Auch welche Langzeitwirkung die Farbpartikel auf den menschlichen Körper haben und wie sie wirken, weiß niemand so genau.
Information ist das A und O
Wer also mit dem Gedanken spielt, sich ein Tattoo stechen zu lassen, sollte ein paar Tipps beherzigen, um das gesundheitliche Risiko so gering wie möglich zu halten. Menschen, die mit Kreislauferkrankungen, Neurodermitis oder einer Immunschwäche kämpfen, sollten sich besser nicht tätowieren lassen. Auch Bluter, Schwangere oder stillende Frauen lassen besser die Finger von einer Tätowierung.
Für alle anderen gilt: Information ist das A und O. Am besten sucht man sich ein Tattoo-Studio, das im Verein für „Deutsche Organisierte Tätowierer“ (DOT) Mitglied ist. Alle „DOT“-Studios werden regelmäßig von unabhängigen Stellen kontrolliert und regelmäßige Keimtests garantieren, dass Hygienestandards eingehalten werden.
Damit die Tattoo-Farben nicht nur schön aussehen, sondern vor allem gesundheitlich so unbedenklich wie möglich sind, ist es wichtig, hier genau zu prüfen: Schau Dir die Tattoofarben und die dort deklarierten Stoffe an: welche Inhaltsstoffe sind aufgelistet und sind diese gesetzlich erlaubt? Was für Informationen gibt es zu den einzelnen Stoffen? Du kannst auch die CodeCheck-App zur Hilfe nehmen, um Dir die einzelnen Stoffe sozusagen übersetzen zu lassen.
Wenn dabei Unklarheiten auftreten, weiter recherchieren und eine Farbe mit einem Minimum an kritischen Stoffen ausfindig machen. Sind Allergien bekannt oder werden regelmäßig Medikamente genommen, sollte das unbedingt bekannt gemacht werden. Mit diesen Vorsichtsmaßnahmen kann man versuchen, die gesundheitliche Belastung durch Tattoofarben so gering wie möglich zu halten. Ein Restrisiko bleibt allerdings, solange die Wissenschaft keine näheren Ergebnisse geliefert hat.