Vergiftet der Klimawandel unser Getreide?
Eine Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) warnt, dass extremes Wetter den Anteil von Giftstoffen in unseren Nahrungsmitteln steigen lässt. Warum es einen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und dem Anstieg von Toxinen gibt und wieso eine Erderwärmung um drei Grad das Problem verschärfen würde, erklärt UNEP-Chefwissenschaftlerin Jacqueline McGlade in einem Interview mit der „Deutschen Welle“.
Die Flora stellt sich auf immer häufiger auftretende Extremwetterereignisse wie Trockenperioden oder Hochwasser ein, erklärt McGlade gegenüber der „Deutschen Welle“. Ihr Tenor: Währed Nutzpflanzen unter normalen Anbaubedingungen eine ganze Reihe von Proteinen und alle Arten von wertvollen Nährstoffen produzieren, reichern einige Pflanzenarten in bestimmten Klimazonen inzwischen vermehrt Toxine an, damit sie auch in einer lebensfeindlichen Umgebung überleben können. Das mache diese Gewächse für Mensch und Vieh zunehmend ungenießbar und könne sogar zu Vergiftungen führen.
Getreide verändert sich
Als Beispiele für die veränderte Entwicklung einiger Pflanzen führt die Expertin Getreidesorten wie Gerste, Mais oder Hirse an. Anhaltende Hitze führt dazu, dass die Pflanzen die Umwandlung bestimmter Chemikalien verlangsamen oder einstellen, um robuster zu werden.
Eines davon ist Nitrat. Viele Getreidesorten reichern den Stoff an, weil bei Dürre die Umwandlung der Stickstoffverbindung in nützliche biochemische Bausteine langsamer abläuft. Für uns Menschen und für Tiere ist ein erhöhter Nitratgehalt schädlich, denn im Körper können daraus krebserregende Nitrosamine entstehen.
Besonders besorgniserregend sei, dass in den ärmeren Teilen der Welt beliebte Sorten wie Maniok, Flachs, Mais und Sorghumhirse zunehmend die extrem giftige Blausäure angereichern.
Bei Hitze mehr Säure, bei Nässe mehr Pilze
Auf der anderen Seite fördert die zunehmende Feuchtigkeit durch Dauerregen und Überschwemmungen das Wachstum von Pilzen. In ostafrikanischen Städten ist mussten bereits große Mengen an Mais- und Samenkörner verbrannt werden, weil sich dort ein schwarzer Schimmel gebildet hatte.
Teils drastische Folgen
Jede Art von Kontaminierung kann schwerwiegende Folgen haben: Der Wissenschaftlerin zufolge können die Toxine mitunter zu Atembeschwerden und Fehlgeburten, zu Wachstumsproblemen bei Föten und Kindern, zu Störungen im Immunsystem sowie zur Bildung von Krebszellen oder zu einem neurologischen Zusammenbruch führen. Es gebe zudem Beweise, dass ein Kontakt mit Pilzgiften und Blausäure tödlich sein kann.
Globaler Trend
Schon heute sollen etwa 4,5 Milliarden Menschen in den Entwicklungsländern unkontrollierten und nicht überwachten Mengen von Pilzgifte ausgesetzt sein. In Afrika seien Toxine in Getreide vor allem südlich der Sahara, inzwischen aber auch im Norden des Kontinents gefunden worden.
In Brasilien und anderen Teilen Lateinamerikas, ja eigentlich auf dem gesamten Globus ist laut McGlade gleichermaßen eine Zunahme der Giftstoffe zu verzeichnen. Selbst Getreide in Europa und Nordamerika sei betroffen. Bei einem Anstieg der globalen Temperatur um mehr als 3 Grad Celsius, würden „70 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion weltweit von zu viel oder zu wenig Regen betroffen sein“. Deshalb sei es wichtig, dass die Industrie zusammen mit den Bauern Getreidearten entwickeln, die sowohl dürre- als auch pilzresistent sind.