Verbraucher- und Umweltschutz fallen TTIP zum Opfer

TTIP und das Handelshemmnis Verbraucherschutz

25. März 2015 von

Müssen Sonnen- und Zahncremes zukünftig auch hierzulande Labormäusen in die Augen geschmiert werden, um eine Zulassung für den europäischen Markt zu erhalten?

Vergiftet und verklagt: TTIP und das Handelshemmnis Verbraucherschutz

Der Bundestag gilt als „direkt gewählte [...] Vertretung des Volkes“ (bundestag.de). Daher ist es doch sehr verwunderlich, dass unter dem Schleier großer Versprechungen und gegen den Willen des Volkes zukünftige Verpflichtungen für ganz Europa ausgehandelt werden, die das Recht jedes Einzelnen auf „körperliche Unversehrtheit“ (Grundgesetz, Artikel 2) massiv beschneiden.

„Vor kurzem wurden die Richtlinen der US-FDA an die Erfordernisse der ISO-Norm 22716 angepasst. Beide Parteien [d.h., die Europäischen Staaten und die USA] sollten sich formell darauf einigen, dass die Einhaltung der ISO-22716-Richtlinien für regulative Zwecke ausreichend ist, und versuchen, alle Diskrepanzen zwischen praktizierten Standards und der Norm ISO-22716, falls vorhanden, auszuräumen“, heißt es in einem Verhandlungsdokument zum Handelsabkommen TTIP, das die EU-Kommission im Mai letzten Jahres veröffentlichte.

ISO 22716 ist die internationale Norm „Kosmetik – Gute Herstellungspraxis [...] – Leitfaden zur Guten Herstellungspraxis“ (Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel e. V.), für die die USA als Vorreiter gelten. Wir sehen also, dass sich die EU-Herstellungsstandards denen des Handelspartners in spe angleichen sollen. Allerdings müssen die Unterschiede zwischen Normen, Auflagen und Gesetzgebungen zur Herstellung von Kosmetika in den Vereinigten Staaten und hierzulande nicht nur als gravierend sondern als unvereinbar bezeichnet werden.

Quecksilber, Teer und ein bisschen Asbest

Die EU-Kosmetik-Verordnung untersagt die Verwendung von insgesamt 1378 Substanzen. 266 weitere Inhaltsstoffe dürfen nur eingeschränkt verwendet werden. Werfen wir einen Blick ins Land der unbegrenzten Giftmischerei: Auch hier sind bestimmte Inhaltsstoffe strikt verboten. Im Ganzen sind es elf. Das mag unter anderem daran liegen, dass in den Staaten Substanzen solange als unbedenklich gehandhabt werden, bis behördlich nachgewiesen werden kann, dass sie gesundheits- oder umweltschädlich sind. In Europa hingegen setzt die Vorgehensweise bisher auf Vorsorge. Hier ist es am Hersteller einer Chemikalie, deren Sicherheit zu belegen, ehe sie für den Markt zugelassen wird. So nimmt es nicht Wunder, dass jenseits des Ozeans Haarpflegeprodukte krebserregende Teere, Produkte wie Nagellack, Lippenstifte und Zahnpasta Bleiverbindungen und Wimperntuschen Quecksilber enthalten. Noch nicht einmal Asbest ist hier bisher komplett verboten.

Ethik liegt im Auge der Labormaus

Seit dem 11. März 2013 ist in Europa auch der Verkauf von Kosmetika, die an Tieren getestet wurden, verboten. Bereits 1993 erließ das Europäische Parlament ein Gesetz, das Tierversuche mit Kosmetikprodukten oder deren Inhaltsstoffen innerhalb der Europäischen Union untersagte. Allerdings wichen die Hersteller bis 2013 meist auf Drittländer aus, um weiterhin Labortiere zu quälen. Auch in diesm Punkt hinkt Amerika den europäischen Standards geflissentlich hinterher.

Für bestimmte Produkte wie zum Beispiel Sonnenschutzmittel sind Tierversuche sogar vorgeschrieben. Wie wir uns einen solchen Tierversuch mit Inhaltsstoffen wie Benzophenon oder Benzylidencampher Sulfonsäure vorstellen müssen, erfahren wir auf der Website der Gesamtschule Bremen Mitte: „Der Stoff wird in die Haut gespritzt. Bei der anschließenden Bestrahlung mit UV A-Licht werden die Tiere stundenlang in enge Plastikröhren gesteckt, in denen sie sich nicht bewegen können.“

Verklagt aufgrund von Umwelt- oder gar Verbraucherschutz

Wie soll nun aber eine Annäherung zwischen den so unterschiedlich gearteten Vertragspartnern stattfinden, von der Bundesregierung und EU-Kommission natürlich behaupten, sie würde die europäischen Schutzstandards in keinster Weise beeinflussen?

Zunächst einnmal bedarf es eines Rats für regulatorische Kooperation. Schließlich müssen Gesetzesvorhaben der EU und der USA in Zukunft unter Berücksichtigung ihrer möglichen Auswirkungen auf den Handel in der weltgrößten Freihandelszone abgestimmt, modifiziert oder abgelehnt werden. Konzerne, auf die sich neue Gesetzgebungen auswirken könnten, haben selbstverständlich ein nicht zu unterschätzendes Mitspracherecht. Schließlich geht Konjunktur vor Konsument. Sollte dennoch einmal ein unliebsames Gesetz giftige Chemikalien verbieten, haben die betroffenen Hersteller das Recht, den so unangemessen verbraucherschützend agierenden Staat auf Entschädigung zu verklagen.

Unbegrenzte Möglichkeiten für Chemiekonzerne

Die Chemikalien-Gesetzgebung der EU (REACH) ist unvergleichbar strenger, als die der Vereinigten Staaten (TSCA). Das ist natürlich ein Ärgernis für Großkonzerne und daher eindeutig ein Handelshemmnis. Es kann ja wohl nicht sein, dass Pestizide, an denen die Hersteller Millionen verdienen, für zwei Jahre vom Markt genommen werden müssen, bloß weil die enthaltenen Neonikotinoide für das Bienensterben mitverantwortlich sind.

Dem schließt sich ein US-Handels-Report aus dem Jahr 2013 in vollem Umfang an: Er entlarvt zahlreiche Bestimmungen der umwelt- und verbraucherschützenden Gesetzgebung hierzulande als Handelshemmnis. Endlich entsteht nun durch TTIP für Chemiekonzerne die Möglichkeit, europäische Regulierungen dem eigenen Gewinn zuliebe auszuhöhlen und zu umgehen.

Quellen:

http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/12367_de.html

http://www.pharmawiki.ch

http://www.peta.de/eukosmetik#.VRJvZeFlyrx

http://www.fr-online.de/wirtschaft/ttip-keine-kompromisse-bei-der-kosmetik,1472780,30117028.html