Staatliches Tierhaltungskennzeichen kommt
Viele Verpackungen von Fleisch sind inzwischen mit einer Angabe über die Haltungsform der Tiere versehen. Im Dschungel diverser Labels und Herkunftskennzeichen fällt es jedoch schwer, sich ein klares Urteil zu bilden. Zudem sind diese Angaben bisher freiwillig. Ab 2024 wird nun erstmals ein verpflichtendes, staatliches Kennzeichen eingeführt. Doch hält dieser Vorstoß für mehr Tierwohl auch, was er auf den ersten Blick verspricht?
Laut Ernährungsreport 2022 des „Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft“ (BMEL) sind 89 Prozent der Menschen in Deutschland Informationen zu Haltungsbedingungen auf der Verpackung von Lebensmitteln wichtig. Mehr Transparenz und Klarheit bezüglich der Haltungsform von Tieren soll nun das im August 2023 in Kraft getretene Gesetz dieses Bundesministeriums ermöglichen. Das entsprechende Label steht allerdings schon jetzt in der Kritik.
Bisherige Tierwohl-Label im Überblick
Regelmäßiger Weidegang bei Kühen oder ausreichend Platz im Hühnerstall - Tierwohl-Label auf Verpackungen geben zwar Hinweise über eine artgerechte Haltung, ihnen liegen jedoch unterschiedliche Kriterien zu Grunde.
Haltungsform
2019 wurde von deutschen Supermärkten auf freiwilliger Basis das farbige Tierwohl-Label „Haltungsform“ für die wichtigsten Fleischarten, Milch und Eier eingeführt. Vier Stufen klassifizieren dabei die Haltungsformen „Stallhaltung“,„StallhaltungPlus“, „Außenklima“ und „Premium“, unter die auch Bio-Fleisch fällt. Für Verwirrung sorgt hier jedoch, dass sich das System für die Fleischkennzeichnung (1 = Freilandhaltung) genau umgekehrt zur Eierkennzeichnung (1 = Stallhaltung) verhält.
Initiative Tierwohl
Eine Interessengemeinschaft aus Handel, Landwirtschaft und Fleischwirtschaft setzt sich seit 2015 für das Label „Initiative Tierwohl“ ein. Hierbei werden Landwirtschaftsbetriebe finanziell gefördert, die über die gesetzlichen Standards hinaus auf eine natürliche, artgerechte Tierhaltung achten. Diese Verbesserungen gehen allerdings vielen nicht weit genug. Das Kennzeichnungssystem der Supermarktketten stuft Fleisch aus Betrieben der Initiative Tierwohl in die Haltungsform 2 ein.
Neuland
Trägerverbände des Vereins „Neuland“ sind unter anderem der „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland“ (BUND) und der „Deutsche Tierschutzbund“. Bei den Richtlinien dieses Siegels steht artgerechte Tierhaltung wie Auslauf im Freien oder Tageslicht im Stall im Mittelpunkt, aber es wird kein Biofleisch produziert. Nach dem Kennzeichnungssystem der Handelsketten entspricht Neuland-Schweinefleisch der Haltungsform 4.
Tierschutzlabel
Der Deutsche Tierschutzbund vergibt dieses Siegel für Schweine-, Geflügel- und Rindfleisch sowie Eier und Milch. Die Produkte werden in Einstiegsstufe (ein Stern, entspricht Haltungsform 3) und Premiumstufe (zwei Sterne, entspricht Haltungsform 4) kategorisiert und erfüllen mehr als die gesetzlichen Mindeststandards.
Bio-Siegel
Bei Bio-Siegeln wie dem grünen Blatt des EU-Bio-Siegels oder Siegeln der Anbauverbände Bioland, Demeter oder Naturland wird generell in hohem Maß auf das Tierwohl geachtet. Neben der Stallfläche spielt hier auch noch das Futtermittel eine Rolle. Begriffe wie „Bio“ oder „Öko“ sind bei Lebensmitteln zudem geschützt.
Das neue staatliche Tierhaltungskennzeichen
Dieses verbindliche staatliche Tierhaltungskennzeichen soll Transparenz und einheitliche Anforderungen schaffen. Es wird farblich in schwarz-weiß gezeichnet sein und gilt auch für unverpacktes Fleisch an den Bedientheken der Supermärkte und Metzgereien. Ab 2024 werden zunächst nur für frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch aus Deutschland fünf Haltungsformen darüber informieren, wie das Tier gehalten wurde: „Stall“, „Stall + Platz“, „Frischluftstall“, „Auslauf/Weide“ und „Bio“. Im nächsten Schritt soll die Kennzeichnungspflicht auf weitere Tierarten, das Fleischangebot in der Gastronomie und verarbeitete Fleischprodukte ausgedehnt werden.
Ein (lückenhafter) Schritt in die richtige Richtung
Dass das neue staatliche Tierhaltungskennzeichen verpflichtend gilt, neutral informiert und einheitliche Standards voraussetzt, ist ein guter Ansatz für mehr Klarheit beim Fleischkauf. Dennoch kann nie ganz sichergestellt werden, dass die Tiere tatsächlich artgerechter gehalten wurden. Mehr Platz allein steht zum Beispiel nicht automatisch für mehr Tierwohl. „Tierbezogenene Kriterien“ zum Verhalten und Gesundheitszustand sollten ebenfalls Bestandteil der beiden Kennzeichnungen sein, so die Forderung der Verbraucherzentrale.
Auch wir von CodeCheck wünschen uns eine etwas weitergehende Beurteilung der Haltungsform und eine umfassendere Anwendung des Labels auf tierische Produkte im Allgemeinen. Nicht nur über die Haltung, sondern auch über Zucht, Transport und Schlachtung sollte die Kennzeichnung informieren. Ein Ersatz der Haltungsform-Kennzeichnung durch das neue staatliche Label könnte Verwirrungen vermeiden. Darüber hinaus sollte die Einbettung in ein EU-Kennzeichnungssystem weiter angestrebt werden.
Quellen
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Weg frei: Die Tierhaltungskennzeichnung kommt
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Deutschland, wie es isst. Der BMEL-Ernährungsreport 2022
- Stiftung Warentest: Tierwohl-Label – Das steht hinter Siegeln für Tierwohl
- Verbraucherzentrale: Staatliche Tierhaltungskennzeichnung kommt