Freihandelsabkommen

Lange Wörter auf den Punkt gebracht: TTIP, TAFTA und CETA

16. Jan. 2015 von

Anfang Januar wurden erstmals Textvorschläge für TTIP veröffentlicht, sowie Positionspapiere, die die unverständlichen Inhalte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen sollen. Was sind die Auswirkungen des Abkommens?

Zunächst einmal zur Definition der Kürzel: TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) bezeichnet genauso wie TAFTA (Trans-Atlantic Free Trade Agreement) einen seit 2013 verhandelten völkerrechtlichen Vertrag zwischen den USA, der Europäischen Union und einigen weiteren Staaten. Dieses „Freihandels- und Investitionsschutzabkommen“ regelt laut Wikipedia „Marktzugang (Zollabbau, öffentliche Aufträge), regulatorische Zusammenarbeit und die globale Regelentwicklung“. Aus einer solchen Partnerschaft würde die größte Freihandelszone der Welt resultieren, und auch die Schweiz bekundet lebhaftes Interesse an einem Beitritt.

CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) hingegen steht für ein weiteres Freihandelsabkommen, dieses Mal zwischen der EU und Kanada. Dieses ist schon seit 2009 geplant und gilt, obgleich noch nicht spruchreif, als Testprojekt für TTIP.
Wie aber würde sich die Verwirklichung dieser nebulös-abstrakten Zielsetzungen auf Deutschland, Österreich und die Schweiz auswirken? 



Wirtschaft

Während die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. von „attraktiven Absatzmärkten“, „Senkung der Kosten“ und einer „Konjunkturspritze“ schwärmt, entlarven Kritiker die durch die EU-Kommission veröffentlichten Prognosen als Milchmädchenrechnung. Selbst unter extrem blauäugigen Annahmen werde das Bruttoinlandsprodukt nur im kaum wahrnehmbaren Bereich wachsen, und das erst in über einem Jahrzehnt, so Finanzexperten wie die Leiterin von Global Trade Watch, Lori Wallach.

TTIP-Befürworter werben mit der Entstehung neuer Arbeitsplätze und bemühen hierfür eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Diese beziffert den Rückgang der Arbeitslosigkeit in Deutschland mit schwindelerregenden 0,11% über einen nicht definierten Zeitraum hinweg. Objektivere Studien hingegen, wie die der Tufts University in Massachusetts, gehen davon aus, dass in Europa hunderttausende von Arbeitsplätzen verloren gehen, und dass das Pro- Kopf-Einkommen um bis zu 5.000 Euro jährlich sinkt.

Landwirtschaft

"Mehr Wachstum, mehr Arbeit, mehr Handel" – diese vielzitierten TTIP-Versprechen sollten doch bestimmt auch die subventionsbedürftige Landwirtschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz wieder auf Vordermann bringen. Mit der Tatsache als Hintergrund, dass der Endverbraucher sich in erster Linie am Preis orientiert, vergleichen wir nun einmal ein paar Eckdaten zur Landwirtschaft in den USA und in Deutschland sowie der EU: In Europa gibt es ca. 12 Millionen Landwirte; die Durchschnittsgröße der Betriebe liegt bei 12 Hektar. In den USA bewirtschaften ca. zwei Millionen Farmer Betriebe von durchschnittlich 180 Hektar.


In Deutschland müssen Umweltschutz-Auflagen strikt befolgt werden, während diese in den USA kaum eine Rolle spielen. Gentechnisch veränderte Pflanzen sind in den USA die Norm, in Deutschland hingegen verpönt. Hier ist vielmehr ein Trend hin zum ökologischen Anbau zu beobachten. Die Verwendung von Pestiziden unterliegt in Deutschland einer strengen Reglementierung. In den USA und Kanada jedoch werden trotz gentechnisch veräderter Pflanzen weit mehr Pestizide verbraucht.

Besonders eklatant sind die Unterschiede in der Viehwirtschaft: Wo man in EU-Ländern doch tatsächlich noch Kuhweiden antrifft, ist in den USA Massentierhaltung das Zauberwort. Die technisierte Haltungsform in Großbetrieben ist zwar alles andere als artgerecht, verursacht gravierende Umweltschäden und begünstigt Tierseuchen - die sich freilich durch Antibiotika im Futter reduzieren lassen -, maximiert aber den Ertrag. Welche Produktionsstandards nun eher geeignet sind, die enorme Nachfrage nach Billigprodukten innerhalb der größten Freihandelszone der Welt abzudecken, erschließt sich von selbst.


Verbraucher- alias Wurstschutz


„Wir können nicht mehr jede Wurst schützen“, äußerte sich Agrarminister Christian Schmidt unlängst zum neuesten Stand der TTIP-Verhandlungen. Regionale Spezialitäten wie Tiroler Speck oder Holländischer Gouda dürfen seiner Meinung nach selbstverständlich nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens auch in den USA produziert werden. Im Gegenzug sind großartige Erfolge für die EU als Handelpartner in spe zu vermelden: So soll in den TTIP-Regelungen eine Ausnahme für die amerikanische Spezialität Chlorhuhn gemacht werden. "Ich habe den Eindruck, die USA haben verstanden, dass Chlorfleisch in Europa nicht vermittelbar ist", verkündete Schmidt sichtlich zufrieden.

Auch über die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln habe man erstmals mit sich reden lassen. Doch damit nicht genug. Bereits im vergangenen Jahr stellten die USA das Ende des 16-jährigen Einfuhrverbots für europäisches Rindfleisch als Entgegenkommen in Aussicht. Der Einfuhrstopp gilt seit Januar 1998 aufgrund der damaligen BSE-Krise in Europa. Blöd nur, dass Deutschland aufgrund des hochansteckenden Schweinevirus in den USA lediglich die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt, aber keinen Einfuhrstopp verhängt hat, wie z.B. Frankreich. Dieser Trumpf im Ärmel wurde verschenkt. Überdies sollen die Niederlande und Irland voraussichtlich wieder Zugang zum US-Markt bekommen, nachdem sie sich einem Prüfverfahren der US-Behörden unterzogen haben.


Haben wir eine Chance, diesen Wahnsinn zu stoppen? Ja, wenngleich nur eine kleine. Die eigens zu diesem Zweck gegründete EUROPÄISCHE BÜRGERINITIATIVE GEGEN TTIP UND CETA sammelt Unterschriften für eine Petition, die die Verhandlungen beenden soll. Von zwei Millionen angestrebten Unterschriften sind bereits über 63% erreicht.


Quellen:

http://www.pflanzenforschung.de/de/journal/journalbeitrage/landwirtschaft-den-usa-und-deutschland-ein-vergleich-960

http://de.wikipedia.org/wiki/Transatlantisches_Freihandelsabkommen#Kritiker

https://www.woz.ch/1449/freihandelsabkommen-ttip/gefaehrliches-andocken