Ist Bio-Milch die bessere Wahl?
Die Bio-Milch im Ökotest ist ihren Preis wert. Die Qualität stimmt meistens und die Kühe haben größere Chancen auf ein gutes Leben. Dennoch muss sich die Bio-Branche noch weiterentwickeln, wenn sie den Tieren, den Bauern und den Erwartungen der Kunden gerecht werden will.
- Viele Bio-Milchmarken im Test sind empfehlenswert, mit Bestnote bewerten sie allerdings nur zwei.
- Etwa ein Drittel der getesteten Produkte schneidet mittelmäßig ab.
- Deutliche Qualitätsunterschiede gibt es, wenn es um Tierwohl und Transparenz geht.
Da schlucken manche Verbraucher schon, bevor sie die Milch öffnen: Bio-Milch kostet teils doppelt so viel wie konventionelle. Ist der höhere Preis gerechtfertigt? Grundsätzlich ja, zeigt der Test: Die Qualität des Lebensmittels ist hoch. Und die Anforderungen an Tierhaltung und ökologisches Wirtschaften liegen deutlich über dem Standard.
Bio-Milch im Test: Alnatura und Dennree mit Bestnote
Wahr ist aber auch: Die vermeintlich weiße Bio-Weste hat einige dunkle Flecken. Auch Bio-Bauern und -Bäuerinnen ärgern sich über Preise, die ihre Kosten kaum decken. Und auch Bio-Kühe führen längst nicht überall ein so glückliches Leben, wie Verbraucher sich das vielleicht vorstellen. Manche werden im Stall angebunden, andere dürfen nicht einen einzigen Tag ihres Lebens auf die Weide. Trotzdem gelten sie als "Bio".
Nein, unter dem Strich ist nicht alles gut in der Bio-Milchbranche. Aber vieles. So fällt auch das Testergebnis aus: 13 von 20 Vollmilchprodukten empfiehlt Ökotest, und keine Bio-Milch schneidet schlechter als "ausreichend" ab.
Zwei Produkte stechen allerdings heraus. Sie schneiden mit Bestnote ab:
- Alnatura Frische Vollmilch
- Dennree Frische Weide Vollmilch
Diese Produkte erhielten von Ökotest die Note „sehr gut“
Darum ist Bio-Milch häufig eine gute Wahl
Dieses relativ hohe Niveau der Bio-Milch im Test hat vor allem drei Gründe:
1. Haltbarkeit und Geschmack stimmen
Die meisten Milchprodukte schmeichelten dem Gaumen der Verkoster auch noch zum Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums. Die Experten beanstandeten den Geschmack nur selten als leicht alt, leicht pappig oder leicht oxidiert.
2. Die allermeisten Produkte hielten der Schadstoffanalyse stand
Nur zwei fielen negativ auf: Gläserne Molkerei Frische Heumilch, Bio und Upländer Bauernmolkerei Frische Bio Vollmilch. Sie enthielten laut Laborbefund auffällige Mengen des Keims Bacillus cereus. Einige Stämme dieses Bakteriums können den Verderb der Milch fördern, andere können bei empfindlichen Personen Magen-Darm-Probleme auslösen.
3. Tierwohl und Transparenz: Bio-Betriebe müssen sich an strengere Regeln halten
Bio-Milchbauern müssen in jedem Fall die gesetzlichen Mindeststandards der EU-Öko-Verordnung erfüllen, um ihre Milch als Bio-Milch verkaufen zu dürfen. Unter anderem müssen sie ihre Kühe ins Freie lassen, ihnen im Stall mindestens sechs Quadratmeter Platz pro Tier gewähren, und sie dürfen kein genmanipuliertes Futter verfüttern. Die Kriterien zur ökologischen Bewirtschaftung des Hofes werden einmal jährlich von unabhängigen Stellen kontrolliert.
Tierwohl und Transparenz in der Bio-Milch-Produktion
Aber wodurch unterscheiden sich die Bio-Bauernhöfe voneinander? Und stellen manche Molkereien besonders hohe Ansprüche an die Landwirte? Um das herauszufinden, erstellte Ökotest mit Unterstützung der Tierschutzexpertin Dr. Cornelie Jäger zwei Fragebögen. Cornelie Jäger ist Tierärztin und arbeitet als Gutachterin und Autorin. Von 2012 bis 2017 war sie die erste Landestierschutzbeauftragte Baden-Württembergs.
Einer der Fragebögen ging an die Molkereien, der zweite, umfangreichere richtete sich an die Bauernhöfe. Die Antworten sollten die Angeschriebenen mit aussagekräftigen Dokumenten belegen. Bis auf das Unternehmen Weihenstephan antworteten alle Verantwortlichen. Ökotest erhielt ausgefüllte Fragebögen von insgesamt rund 250 Höfen.
Manche Anbieter und Molkereien ließen sie wichtige Abläufe und Anforderungen transparent nachvollziehen und belegten glaubwürdig ein hohes Niveau bei der Tierhaltung. Andere dagegen konnten oder wollten ihnen wichtige Belege nicht schicken – obwohl Ökotest allen zugesichert hatte, sensible Informationen vertraulich zu behandeln.
Wo liegen die Qualitätsunterschiede bei Bio-Milch?
Was genau manche Höfe, Molkereien und Verbände besser machen als andere, erklärt Ökotest in 10 Punkten:
- Bio-Zertifizierung
- Rückverfolgbarkeit zu den Höfen
- Anteil der antwortenden Höfe
- Unabhängige Tierwohlkontrolle
- Anbindehaltung
- Ausreichend Fress- und Liegeplätze
- Abkalbeboxen und Krankenabteile
- Weidegang
- Enthornung
- Kuhgebundene Kälberaufzucht
1. Bio-Zertifizierung
Jede Bio-Milch muss mindestens nach EU-Öko-Verordnung zertifiziert sein, damit sie als "Bio" im Laden stehen darf. Darüber hinaus tragen viele Produkte im Test das Siegel eines Bio-Verbands: neunmal Bioland, dreimal Demeter und einmal Naturland. Weitere, etwas kleinere Bio-Verbände sind Biokreis und Gäa. Teilweise erkennen die Verbände einander an, sodass zum Beispiel Milch mit dem Bioland-Siegel in Teilen von Naturland-Höfen stammen kann.
Die Kriterien der Verbände gehen teils deutlich über EU-Bio hinaus. Die Milch von Aldi und Kaufland im Test trägt zwar "nur" das EU-Bio-Siegel, die milchliefernden Höfe sind aber – laut der Dokumente, die sie erhalten haben – Mitglied in einem Bio-Verband.
Von welchen Bauernhöfen stammt die Bio-Milch?
2. Rückverfolgbarkeit zu den Höfen
Ökotest bat alle Molkereien, den Weg der Milch zu dokumentieren: Von welchen Bauernhöfen stammt die Milch in der von ihnen eingekauften Charge? So viel Transparenz muss aus ihrer Sicht sein. Die meisten Antworten ließen Lücken in der Kette der Rückverfolgung.
Vorbildlich hingegen antworteten Alnatura, Dennree, Gläserne Molkerei, Hamfelder Hof und Upländer Bauernmolkerei. Die Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof veröffentlicht die Standorte aller 34 zuliefernden Höfe zudem auf ihrer Homepage. Und die Schwarzwaldmilch Bio Frische Heumilch trägt einen QR-Code auf der Verpackung. Er führt zu Infos über die Bauern, die die Milch liefern.
3. Anteil der antwortenden Höfe
In den Verpackungen steckt Milch ganz unterschiedlicher Herkunft: Teils stammt sie nur von einem einzigen Hof mit mehr als 1.000 Kühen, teils von Hunderten kleinen Höfen mit je ungefähr 10 bis 50 Kühen. Ökotest forderte von möglichst allen beteiligten Höfen Antworten auf ihren Fragebogen. Immerhin sechs Anbieter schafften das. Bei anderen war der Anteil sehr gering. Einige äußerten Datenschutzbedenken, obwohl sie Vertraulichkeit zugesagt hatten.
Diese Produkte erhielten von Ökotest die Note „ausreichend“
Wird das Tierwohl der Bio-Kühe kontrolliert?
4. Unabhängige Tierwohlkontrolle
Klar, die Bauern kennen ihre Tiere am besten. Trotzdem ist es wichtig, dass regelmäßig externe Kontrolleure die Höfe besuchen. Die Vorgaben des EU-Bio-Siegels werden zwar jährlich kontrolliert, aber um die Tiere selbst geht es dabei nicht vorrangig. Unter anderem deshalb haben die Öko-Verbände Biokreis, Bioland, Gäa und Naturland eine Checkliste mit Tierwohlkriterien erarbeitet.
Bei der jährlichen Öko-Kontrolle nehmen die Prüfer diese dann zusätzlich ins Visier. Demeter prüft ebenfalls Tierwohlkriterien, aber weniger regelmäßig und weniger flächendeckend. Einen eigenen Weg geht auch der Milchkonzern Arla: Er hat eine eigene Checkliste entwickelt. Sie ist zwar weniger umfangreich als die der Verbände, führt aber zentrale Punkte auf; ein unabhängiges Prüfinstitut kontrolliert hier jährlich die Umsetzung.
Die getestete Milch von Edeka, Netto und Penny stammt von der österreichischen Molkerei Salzburgmilch. Auf den zuliefernden Höfen finden im Rahmen einer Initiative der Molkerei ebenfalls unabhängige Kontrollen des Tierwohls statt, wenn auch nicht jährlich.
5. Anbindehaltung
Traurig, aber wahr: Auch Bio-Kühe dürfen am Hals im Stall angebunden werden. Diese Ausnahmeregelung können die Kontrollbehörden für Betriebe mit maximal 50 Tieren genehmigen. Das bedeutet für die Kühe nichts Gutes: Sie können sich dann nicht einmal auf ihrem eigenen Platz umdrehen. Im Test belegten nur vier Anbieter, dass an der Milch keine Kühe aus Anbindehaltung beteiligt waren.
Diese Haltungsform gehört aus Ökotests Sicht abgeschafft – für alle Kühe und erst recht für Bio-Tiere. Immerhin: Bio-Kühe in Anbindehaltung müssen während der Weideperiode auf die Weide und in der übrigen Zeit mindestens zweimal pro Woche auf ein Freigelände; das nennt man Öko-Kombinationshaltung. Bioland, Naturland und Gäa verbieten es, Anbindeställe neu zu bauen. Eine übliche Alternative sind Laufställe. Das heißt, die Tiere bewegen sich zwischen ihrem Liegeplatz, der Futterstelle und dem Melkstand.
Bio-Milch im Test: Wie werden die Kühe gehalten?
6. Ausreichend Fress- und Liegeplätze
Ob Fressen oder Hinlegen – die Kühe einer Herde tun das gern gleichzeitig. Sind zu wenige Plätze im Stall vorhanden, liegen einige – zumeist die schwächeren – im Gang. Das stresst die Tiere und führt zu Konflikten in der Gruppe.
Positiv: Etliche Anbieter haben belegen können, dass ausreichend Plätze zur Verfügung stehen. Die Verbände Biokreis, Bioland, Naturland und Gäa regeln das schon in den Kriterien für die Laufställe: Mindestens ein Fress- und ein Liegeplatz pro Kuh sind verpflichtend. Österreich regelt das für alle Kühe in der Tierhaltungsverordnung. In Deutschland existiert derzeit keine vergleichbare Rechtsvorgabe.
7. Abkalbeboxen und Krankenabteile
Schon aus hygienischen Gründen ist es gut, wenn sich kranke oder kalbende Kühe auf einem abgetrennten Platz ausruhen und erholen dürfen. Stehen sie mit den anderen zusammen, haben sie schnell das Nachsehen und werden als vermeintlich Nachrangige in der Hierachie nach unten durchgereicht. Das stresst zusätzlich.
Die Antworten der Bauern und die verschiedenen Bio-Vorgaben zeigen, dass gesonderte Boxen nicht unbedingt die Regel sind. Rechtliche Vorgaben hierzu finden sich erneut nur in Österreich, nicht aber in Deutschland. Bioland, Naturland, Biokreis und Gäa verlangen im Rahmen ihres jährlichen Tierwohlchecks zumindest Krankenbuchten. Alnatura und die Gläserne Molkerei wiesen darüber hinaus für alle an der Charge beteiligten Höfe auch Abkalbeboxen nach.
8. Weidegang
Den Weidegang für alle an der Charge beteiligten Höfe haben nur acht Anbieter im Test belegt. Eine gute Weide gilt als Goldstandard in der Rinderhaltung. Die Tiere können ihr artspezifisches Verhalten am besten ausleben, wenn sie auf gelenkschonendem Untergrund grasen. Dann ist auch genügend Platz für ein entspanntes Wiederkäuen in frei gewählten Gruppen.
Aber: Einige Bio-Kühe stehen in ihrem ganzen Leben nicht ein einziges Mal auf einer Weide. Für Bio verpflichtend ist lediglich ein Auslauf im Freien. Das kann auch ein Laufhof mit Betonplatten sein.
Dass das nicht zusammenpasst, haben auch die Bio-Verbände erkannt. Bioland und Gäa erlauben für alte Betriebe trotzdem eine großzügige Übergangsfrist bis Ende 2030, erst dann müssen alle eine Weide haben. Naturland und Biokreis sehen Ausnahmen noch bis 2029 vor. In Österreich sind alle Bio-Milchbauern verpflichtet, eine Weide anzubieten.
Apropos Fütterung: In allen Bio-Milchen hat ein beauftragtes Labor ausreichende Gehalte an grünfuttertypischen Fettsäuren festgestellt. Das heißt nicht, dass alle Tiere auf der Weide waren, denn Heu oder Gras können auch im Stall verfüttert werden. Aber die Ergebnisse sprechen für wenig Kraftfutter – und damit für eine Fütterung, die sich an den Bedürfnissen der Tiere orientiert.
Werden die Kühe auf Bio-Höfen enthornt?
9. Enthornung
Ursprünglich trugen fast alle Kühe der gängigsten Zuchtrassen Hörner. Deren Größe spielt zum Beispiel eine wichtige Rolle für die Stellung der Kuh in der Herde. Behornte Tiere brauchen aber mehr Platz als hornlose, und sie können andere Kühe oder die Bauern mit den Hörnern verletzen.
Deshalb werden die Hornanlagen oft mit Hitze zerstört. Aus Ökotests Sicht aber wäre es die bessere Lösung, den Tieren mehr Platz zu geben und nicht die Tiere an die Haltungsbedingungen anzupassen. Auf Bio-Höfen ist das Enthornen eigentlich nur ausnahmsweise zulässig. Allerdings hat es sich zu einer weit verbreiteten Praxis entwickelt. Das zeigen leider auch die Antworten auf ihre Fragebögen.
Immerhin: Einige Betriebe enthornen bewusst nicht, oder sie setzen auf genetisch hornlose Tiere. Auf Demeter-zertifizierten Höfen ist Enthornen verboten, auch genetisch hornlose Kühe sind nicht erlaubt.
10. Kuhgebundene Kälberaufzucht
Eine Kuh gibt nur Milch, solange sie Kälber zur Welt bringt. Deshalb wird sie etwa einmal im Jahr befruchtet und trägt ein Kalb aus. Auch auf Bio-Betrieben verbringen Kalb und Mutter nach der Geburt oft keine 24 Stunden miteinander, bevor sie getrennt werden.
Es ist aber gut für das Sozialleben und die Gesundheit der Kälber, wenn ihre Mütter oder Ammenkühe sie aufziehen. Ökotests Abfrage zufolge ist das in nur 43 von 249 Betrieben der Fall. In ihre Bewertung fließt dieser Aspekt nicht ein, da er im Einzelfall schwer zu belegen ist.
Bio-Milch trinken: ÖKO-TEST gibt Tipps
Drei Tipps für Dich:
- Bio-Milch ist fast immer eine gute Wahl. Neben den "sehr guten" von Alnatura und Dennree können sie weitere elf "gute" Vollmilchprodukte empfehlen.
- Milch ist oft über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus noch frisch: Einfach riechen oder schmecken, bevor sie im Ausguss landet.
- Wer wissen möchte, woher die Milch stammt, kann an dem ovalen Molkereistempel auf der Verpackung zumindest den Standort der Molkerei erkennen: D steht für Deutschland, HE für Hessen, BB für Brandenburg usw. Findet sich dort AT, stammt die Milch aus Österreich.