Impotenter Kaffee - koffeinfreie Angebote
Seit der Entdeckung des Kaffees im 15. Jahrhundert haben Gesundheitsapostel aller Zeiten und Länder ebenso unermüdlich wie vergeblich versucht, den Liebhabern des dunklen Gebräus ihr Laster auszutreiben. Alles getreu dem Motto: "Was den Menschen Spaß macht, kann doch nicht gesund sein", so Udo »
Bevor nicht bekannt war, dass es durch ein elegantes und billiges Verfahren gelingt, den Kaffeebohnen das Koffein zu entziehen, gab es kein Koffeinproblem, schrieb der Toxikologe Lewin 1929. Zudem würde die Werbung für koffeinfreien Kaffee beim Verbraucher den Eindruck erwecken, Kaffee sei durch den Koffeingehalt schädlich und besonders herzgiftig.
Heute werden in Deutschland gut 10 Prozent des Kaffees von Koffein befreit. Entkoffeinierter Röstkaffee enthält maximal 0,1 Prozent Koffein, bei koffeinfreiem löslichem Kaffee sind es maximal 0,3 Prozent. Das gewonnene Koffein wird aufgereinigt und für Colagetränke und Medikamente verwendet. Die zahlreichen patentierten Verfahren lassen sich nach drei Prinzipien unterteilen: die direkte Koffein-Extraktion mit Hilfe organischer Lösungsmittel, die Extraktion mit Wasser und mit überkritischem Kohlendioxid.
Alle drei Verfahren gehen von den grünen Bohnen aus. Zur Erleichterung der Extraktion wird der Rohkaffee mit übersättigtem Wasserdampf angequollen und dann eingeweicht. Erst nach der Extraktion erfolgt die Röstung.
Extraktion mit Lösungsmitteln: Das erste Patent zur Entkoffeinierung wurde 1905 der Bremer Firma Hag erteilt. Lösungsmittel der Wahl war damals Benzol. Als die billigeren chlorierten Kohlenwasserstoffe wie Chloroform, Dichlormethan oder Tetrachlorkohlenstoff verfügbar wurden, ersetzten sie das ebenso giftige wie leicht brennbare Benzol. Ende der 70er Jahre dominierte weltweit vor allem Trichlorethylen, das dann von Methylenchlorid abgelöst wurde. Es hat den Vorteil, aus Rohkaffee selektiv das Koffein zu extrahieren. Pro kg Kaffee benötigt man vier kg Methylenchlorid.
Lösungsmittelreste lassen sich durch Trocknung im Vakuum entfernen. Die Rückstände im gerösteten Kaffee lagen nach Angaben der amerikanischen FDA gewöhnlich unter 1 mg/kg Kaffee. Mittlerweile sind die Gehalte so niedrig, dass sie toxikologisch bedeutungslos sind. Allerdings kann es durch die Extraktion auch zur Bildung von toxischen Reaktionsprodukten kommen. So reagiert nach manchen Autoren das früher übliche Trichlorethylen mit Cystein zu 1,2-S-(Dichlorvinyl)-1-Cystein. Auch wenn dies von anderer Seite bestritten wird, sind derartige Reaktionen durchaus denkbar.
Extraktion mit Wasser: Den vorgequollenen grünen Bohnen werden zunächst alle wasserlöslichen Inhaltsstoffe und damit auch das Koffein entzogen. Aus dieser wässrigen Lösung wird wiederum mit Methylenchlorid oder Aktivkohle das Koffein entfernt. Die entkoffeinierte Rohkaffee-Lösung kann man nun wieder auf die ausgelaugten" Bohnen aufimprägnieren. Bei eingestelltem Gleichgewicht bietet es sich an, den gesättigten Extrakt mit Koffeinlücke" im Kreislauf wieder zur Entkoffeinierung einzusetzen, so dass keine nennenswerten Anteile anderer Stoffe in Lösung gehen.
Destraktion mit Kohlendioxid: Seit 1970 ist der Koffeinentzug mit überkritischem Kohlendioxid bekannt. Dazu sind bestimmte Temperatur-Druckkombinationen nötig, zum Beispiel 75,2 bar bei 31,4° C. Das Verfahren ist teurer als die anderen, dafür werden keine Lösungsmittel benutzt und der Geschmack entspricht dem koffeinhaltigen Kaffees.
Kaffee-Extrakt
Richtige Instantkaffees gibt es erst seit den 50er Jahren, da vorher die Trocknung von hochviskosen Konzentraten Probleme bereitete. Um überhaupt eine Trocknung des zähflüssigen Kaffee-Konzentrates zu ermöglichen, wurden Maltodextrine als Träger zugesetzt. Erst 1950 gelang es, geeignete Kohlenhydrate aus dem Kaffee zu gewinnen. Dazu wurde eine zweite Extraktion bei 175°C durchgeführt. So ließ sich die gesetzliche Forderung der meisten Staaten erfüllen, für löslichen Kaffee nur Röstkaffee und Wasser zu verwenden.
Gemahlener Röstkaffee wird stufenweise mit heißem Wasser (100 - 175° C) unter Druck extrahiert. Der gewonnene "Dünnsaft" wird durch Eindampfen, Gefrierkonzentrieren oder mit Membrantrennverfahren vorkonzentriert. Beim Eindampfen muss das mit dem Dampf entweichende Aroma zurück gewonnen werden. Bessere Resultate liefert die Gefrierkonzentrierung, bei der das Wasser als Eis auskristallisiert und mechanisch abgetrennt werden kann. Mittlerweile lässt sich die Viskosität mit Enzymen herabsetzen, was vor allem den Einsatz von Membrantrennverfahren begünstigt.
Die Endtrocknung des "Dicksafts" zum Pulver erfolgt durch Sprüh-, Gefrier- oder Schaummattentrocknung. Beim Sprühtrocknen sprüht man den Extrakt in zehn Meter hohen Edelstahltürmen in heiße Luft. Beim Gefriertrocknen wird das gefrorene Konzentrat zu kleinen Eisstückchen zerteilt. Im Vakuum verdampft das Eis durch gezielte Wärmezufuhr, ohne dass es vorher schmilzt. Wirtschaftlicher ist die Schaummattentrocknung: Das Konzentrat wird mit einem Verschäumungsmittel unter Vakuum auf einem perforierten Band aufgeschäumt und mit Mikrowellen getrocknet.
Da das flüchtige Kaffee-Aroma unter der Extraktherstellung stark leidet, sprüht man auf das fertige Pulver ein Aromaölkonzentrat, das man durch Auspressen von Kaffeebohnen, Wasserdampfdestillation oder Abtrennen mittels Kohlensäure erhält. Diese Rückaromatisierung« verleiht dem Pulver die vertraute Duftnote, ohne wesentlich zum Kaffeegeschmack beizutragen. Da Kaffee sehr oxidationsempfindlich ist, muss löslicher Kaffee sauerstofffrei unter C02 bzw. Stickstoff verpackt werden.
Löslicher Kaffee unterscheidet sich in seiner quantitativen Zusammensetzung durchaus von selbst gebrühtem. So enthält er nur halb soviel Koffein und Chlorogensäure wie sein haushaltsmäßiges Vorbild. Dieser Unterschied erklärt sich aus dem höheren Gehalt an Polysacchariden, die das Trocknen erleichtern.
Entnommen aus EU.L.E.nspiegel 1997, Heft 8