Erschreckende Sklavenarbeit in der Fischindustrie
Im April 100. Verleihung des Pulitzer Preises in New York statt. Einer der renommierten Preise für herausragenden Journalismus ging in diesem Jahr an die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP). Ausgezeichnet wurden vier Journalistinnen, die in einer umfangreichen Reportage Sklavenarbeit in der Fischindustrie aufdeckten – und gleichzeitig mit ihren Recherchen den Albtraum der Gefangenschaft für über 2000 Menschen beendeten.
Über 18 Monate hatten sie für die Reportage „Seafood from Slaves“ (deutsch: Meeresfrüchte von Sklaven) recherchiert. Dabei arbeiteten die Reporterinnen Margie Mason, Robin McDowell, Martha Mendoza und Esther Htusan in vier Ländern, versteckten sich zum Teil tagelang in der Ladefläche eines LKW, verfolgten Schiffe und ihre Ladungen bis hin zum Vertrieb der gefangenen Meeresfrüchte. Sie fanden dabei erschreckende Beweise über den umfassenden Einsatz versklavter Arbeiter.
Vom Boot aus interviewt
Nach Medienberichten über Sklavenarbeit in Südostasien im Jahr 2014 entschloss sich die AP, das Ausmaß der Versklavung aufzudecken und die Wege der Fische und Meeresfrüchte in den amerikanischen Lebensmittelmarkt nachzuzeichnen. Durch die Vorarbeiten ihrer Kollegen hatten die Reporterinnen bereits einige Ausgangspunkte. So reisten sie zunächst zur indonesischen Insel Benjina, wo sie auf die ersten versklavten Arbeiter stießen. Diese warteten in Käfigen auf das nächste Schiff, auf dem sie arbeiten mussten.
Für ihre Interviews mit den auf Fischdampfern gefangenen Arbeitern hängten sich die Reporterinnen mit einem kleinen Boot an ein Schiff und filmten von dort aus, wie die Männer, die aus Burma, Kambodscha, Thailand und Laos stammen, von ihrem Schicksal erzählten. Die Arbeiter berichteten den Frauen von AP, wie sie in die Sklaverei gelockt, eingesperrt und mit Prügeln zur Arbeit gezwungen worden waren. Viele hatten ihre Familien seit Jahren nicht gesehen.
Erdrückende Beweislast
Mithilfe von Satelliten verfolgten die Reporterinnen die Wege der Ware und deckten so die Verbindungen zu amerikanischen Einzelhandelsketten wie z.B. Wal-Mart sowie einiger bekannter Restaurants auf. Dann stand das Team vor einer moralischen Entscheidung: Sollten sie die Reportage möglichst schnell veröffentlichen und dabei die Arbeiter möglicherweise in große Gefahr bringen? Oder sollten sie das Material erst einmal den Behörden der Länder vorlegen?
Auf das Risiko hin, dass eine andere Nachrichtenagentur ähnliche Erkenntnisse früher veröffentlicht, entschlossen sich die Reporterinnen zu letzterem. Die Beweislast übte starken Druck auf die beteiligten Unternehmen aus und führte zu umfassenden Untersuchungen durch Behörden. Im Zuge dieser Untersuchungen wurden Fracht im Wert von Millionen Dollar beschlagnahmt, ein Dutzend Verdächtige festgenommen, und über 2000 versklavte Arbeiter befreit. Doch das ist vermutlich erst der Anfang.
Weitere Reformen notwendig
Weil vermutlich noch unzählige versklavte Arbeiter unentdeckt geblieben sind, plädieren die Reporterinnen für weitere Untersuchungen und umfassende Aufklärung. So hilft es in ihren Augen, die Zusammenhänge zwischen unserem Konsum und dem Leid dieser Menschen deutlich zu machen. Nur die Verbraucher erzeugten zusammen genügend Druck auf die beteiligten Unternehmen, und nur diese könnten letztlich eine Veränderung fordern und durchsetzen.
Was die vier Reporterinnen der AP geleistet haben, ist zu Recht mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet worden. Auch, weil sie sich bewusst dazu entschieden haben, ihre Erkenntnisse zum Schutz der Betroffenen noch zurückzuhalten. Auf Basis ihrer Arbeit kann auch in anderen Ländern nun untersucht werden, wie viele unserer verzehrten Meeresfrüchte auf Sklavenarbeit zurückgehen. Und was wir als Verbraucher dagegen tun können.