Berlin will Lastenräder fördern
Daumen hoch für Cargobikes? Lastenräder sind in Städten zunehmend im Kommen – doch noch immer dominiert das Auto auf den Straßen. Jetzt will auch der Berliner Senat die starken Drahtesel fördern. Kann das Programm eine Mobilitäts-Wende ins Rollen bringen?
Dicke Luft, verstopfte Innenstädte und immer drängendere Klimaschutzziele – nachhaltige Mobilitätskonzepte werden dringend gebraucht. Denn bisher dominieren Autos und Lieferwagen den Verkehr, selbst auf der „letzten Meile“ in Innenstädten. Doch eine Alternative nimmt Fahrt auf: Lastenräder entwickeln sich zu urbanen Trendsettern – neue Innovationen und Förderprogramme begünstigen diese Entwicklung.
Entlastung für Klima und Städte: Lastenräder
Denn das Potenzial ist groß, das wachsende Verkehrsaufkommen durch Lastenräder zu entlasten: „Mindestens 8 und bis zu 20 Prozent Einsparungen allein im Wirtschaftsverkehr wären durch Umstellung auf Lastenräder möglich“, erklärt Johannes Gruber vom Institut für Verkehrsforschung und Koordinator des bundesweiten Forschungsprojekts „Ich entlaste Städte“. Lastenräder könnten somit Teil einer Strategie hin zu nachhaltigerer Mobilität werden.
Das hat auch der Berliner Senat erkannt und will nun Anreize schaffen – mit seinem Lastenräderförderprogramm. Denn „Transporträder sind praktisch, umweltfreundlich und eine preiswerte Alternative zum Auto in der Stadt. Mit Elektrounterstützung ist der Fahrspaß auch auf längeren Strecken und mit schwereren Lasten garantiert“, erklärt Regine Günther, Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, die Motivation hinter dem Förderprogramm.
Entlastung für den Geldbeutel: Förderprogramm für Lastenräder
Doch zum Zeitpunkt der ersten öffentlichen Ankündigung des Förderprogramms Mitte April mussten die Gelder erst noch freigegeben werden. Ende Juni dann endlich das OK vom Haushaltsausschuss: Ab dem 4. Juli 2018 um 8 Uhr stehen die nötigen Formulare auf der Seite der Senatsverwaltung zum Herunterladen zur Verfügung. Ab dem Moment können Förderanträge per Mail oder Post eingereicht werden.
Bei Bewilligung wird ein Drittel der Kaufsumme aus dem Fördertopf gezahlt, allerdings maximal 500 Euro für ein normales und 1.000 Euro für ein E-Lastenrad. Für Lastenrad-Anhänger gibt es Zuschüsse von bis zu 500 Euro. Bei den Anträgen gilt das Windhundprinzip, und die Gelder sind knapp: Für 2018 stehen insgesamt 200.000 Euro zur Verfügung, davon 70.000 Euro für gewerbliche oder freiberufliche und 130.000 Euro für private Antragsteller.
„200.000 Euro sind einfach zu wenig“
Cora Geißler, Projektleiterin des Lastenrad-Verleihsystems Velogut, sieht das Förderprogramm des Senats vor allem als „ein Statement, das man auf diese Form der Mobilität vertraut und baut“, doch „200.000 Euro für eine Großstadt wie Berlin – noch einmal unterteilt in Gewerbe und Privat – sind einfach zu wenig, um tatsächlich etwas zu bewegen“.
Für das kommende Jahr sind zwar weitere 500.000 Euro vorgesehen, doch auch diese Fördersumme wird voraussichtlich nur für Bezuschussung einiger Hundert Lastenräder reichen – und nach wenigen Wochen erschöpft sein. Angesichts der vergleichsweise geringen Summe stellt sich daher die Frage, ob diese nicht besser in gemeinschaftlich nutzbare Räder investiert werden sollte, wie etwa in bestehende Lastenrad-Sharing-Angebote.
Denn beim Lastenrad gilt wie beim Auto: alleine privat genutzt steht das Fahrzeug häufig die längste Zeit des Tages ungenutzt herum. Doch im Ansatz wird der Sharing-Gedanke im Förderprogramm berücksichtigt. Denn von den 130.000 Euro für private Nutzer, sind allein schon 40.000 Euro reserviert – für Personen, die sich gemeinschaftlich auf eine Förderung bewerben, beispielsweise eine Hausgemeinschaft, die sich ein Lastenrad teilen will.
„In der Gesellschaft besteht großer Informationsbedarf“
Wie effizient das Förderprogramm tatsächlich ist, wird sich zeigen müssen. Inwiefern eine Evaluation geplant ist, etwa wie viele bezuschusste Akteure durch ihr Lastenrad in Zukunft wieviel auf Auto oder Lieferwagen verzichten, ist unklar. Auch die Frage, ob und welche Maßnahmen begleitend zum Förderprogramm geplant sind, hat der Senat auch nach mehrmaliger Nachfrage von enorm nicht beantwortet.
Denn eine finanzielle Förderung des Kaufs alleine reicht häufig nicht, wie Erfahrungen aus anderen Förderprogrammen zeigen. So ist, um besonders auch Menschen zu erreichen, die bisher wenig über Lastenräder wissen, eine gute Kommunikationsstrategie unabdingbar. Johannes Gruber vom Institut für Verkehrsforschung betont: „In der Gesellschaft besteht großer Informationsbedarf zu diesen Fahrzeugen und den einhergehenden Möglichkeiten. Deswegen hat ‚Ich entlaste Städte‘ auch eine kampagnenhafte Seite.“
Außerdem ist eine entsprechende Infrastruktur wichtig, um die Nutzung von Lastenrädern möglichst attraktiv zu machen. Dazu gehören Barrierefreiheit sowie sichere Radwege und Abstellmöglichkeiten. Wie weitere Anreize für einen direkten Umstieg von Auto auf Rad aussehen können, zeigt ein Projekt einer anderen Hauptstadt: Paris. Dort wird nämlich für alte Autos eine Abwrackprämie gezahlt – in Form einer Lastenrad-Förderung. Und jeder, der in Paris einen Führerschein macht, erhält einen Gutschein für den Fahrradverleih der Stadt.
Trotz einiger ungeklärter Punkte ist das Förderprogramm des Berliner Senats mindestens „ein Tritt in die Pedale“ auf dem Weg zu nachhaltigeren Mobilitätskonzepten. Und wer keine Förderung vom Senat ergattert, findet bundesweit weitere Angebote an Fördertöpfen – oder aber Bike-Sharing-Anbieter.