Arm aber Bio!
„Wenn ganz wenig Geld da ist, muss man alles selber machen – und dadurch isst man plötzlich erstaunlich gut.“
Die Autorin Rozsika Farkas hat sich für ihr Buch „Arm aber Bio!“ (2010, erschienen bei Edition Butterbrot) einen Monat lang vom Hartz IV-Regelsatz für Nahrungsmittel durchgeschlagen. Wie es ihr dabei ging, was ihr am schwersten fiel und was sie daraus gelernt hat, erzählt sie im Interview.
Frau Farkas, was war das Erste, was Sie sich nach dem einmonatigen Experiment gegönnt haben?
Einen riesengroßen gemischten Salat!
Wieso?
Salat bringt zwar Vitamine, aber wenig Kalorien fürs Geld. Und wenn das Geld sehr knapp ist, spielt das eine Rolle, man will schließlich satt werden.
Was haben Sie während diesem Monat am meisten vermisst?
Es war Mai, also Spargelzeit, und ich konnte mir nicht eine Stange genehmigen. Auch bei Erdbeeren musste ich mich sehr zurückhalten.
Wo lagen die größten Herausforderungen während des Experiments?
Ich hatte im Mai Geburtstag. Ausgerechnet aber dieser Anlass war sehr entspannt. Ich habe meinen Freunden nicht mal gesagt, dass ich gerade am Sparen bin, sondern nur, dass ich keine Lust habe, mich ans Kochen zu machen. Also hat jeder etwas mitgebracht, und es war ein lustiges Fest, bei dem es an nichts fehlte. Gewöhnungsbedürftig war der Zwang zum Planen. Sich einfach unterwegs an der nächsten Ecke einen Happen zu kaufen war nicht drin. Schwierig wurde es, wenn ich Freunde treffen wollte. Ich konnte mich nicht einfach mit ihnen in einem Lokal treffen, musste also ausweichen und etwa sagen: „Ach, lass uns lieber spazieren gehen.“ Was natürlich letztlich die schönere Aktion war.
Was haben Sie für die Zeit danach mitgenommen?
Ich verzichte auf Fertigsachen. Wenn ganz wenig Geld da ist, muss man alles selber machen – und dadurch isst man plötzlich erstaunlich gut. Das war für mich die beste Lehre: aus ganz simplen und preisgünstigen Zutaten wie Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln, Mehl und so weiter lassen sich großartige Gerichte zubereiten, die besser schmecken als fünf mal so teures Fertigessen.
Worauf wollten Sie auch während dem Experiment ganz bestimmt nicht verzichten?
Auf Qualität. Wenn ich sparen muss, kaufe ich nicht plötzlich fade Supermarkt-Karotten oder ödes Fabrikbrot, bloß weil sie ein paar Cent billiger sind. Für die beste Kartoffel reicht es immer, und die schmeckt ganz ohne Fleisch oder Schinken besser als ein wässriger Erdapfel mit fiesem Formschinken.
Welche Rückmeldungen haben Sie zu Ihrem Experiment bekommen?
Ganz unterschiedlich. Es gab Leute, meist Familien, die geschrieben haben: Was soll die Aufregung, so machen wir das seit Jahren. Andere, die sich bedankt haben, weil sie sich ermutigt fühlten. Eine schrieb, sie habe sich nach der Lektüre zum ersten Mal in einen Bioladen getraut. Besonders bewegt hat mich der Brief einer Frau, die schrieb, sie habe nach jahrzehntelanger Berufstätigkeit ihren Job verloren, müsse nun mit sehr wenig Geld auskommen, und ihr habe das Buch das Gefühl von Würde zurückgegeben.
Wofür geben Sie gerne mehr Geld aus?
Im Sommer für wirklich gute Tomaten. Dafür radle ich gern die paar Kilometer zum Viktualienmarkt, wo es einen Biostand gibt, der extrem köstliche Sorten hat, die ich sonst nirgendwo finde. Für die bin ich bereit, jeden Preis zu bezahlen. Dann Olivenöl. Ich hatte mehrfach Gelegenheit, bei Olivenölverkostungen mitzumachen und dabei gelernt, die unterschiedlichen Qualitäten zu unterscheiden. Leider habe ich dabei auch gelernt, wie rar im Handel gutes Olivenöl ist. Und das hat nicht unbedingt etwas mit Bio oder Nicht-Bio zu tun.
Wo macht es Ihnen nichts aus zu sparen?
Lustigerweise ebenfalls beim Öl – da spare ich aber an der Menge. Ich nehme zum Kochen oder Braten preiswertes Brat-Öl und verfeinere erst am Schluss das fertige Gericht mit einem Schuss besten Olivenöls.
Wo macht es keinen Unterschied ob teuer oder günstig?
Da fällt mir auf Anhieb nichts ein. Aber bei vielen Sachen reicht mir die schlichte Variante, obwohl ich den Unterschied in der Sache durchaus wahrnehme. Beispielsweise bei Nudeln, da gibt es große Preisunterschiede. Aber gerade Spaghetti mit Tomatensauce – für mich immer noch eins der billigsten und zugleich leckersten Gerichte – schmecken auch mit den billigsten (Bio-)Nudeln.
ROZSIKA FARKAS
Als Journalistin schreibt sie seit Jahrzehnten über Essen und Trinken, da ist man zwangsläufig verwöhnt, was Essen betrifft. Andererseits hatte sie als Freiberuflerin und allein erziehende Mutter immer wieder finanzielle Engpässe zu bewältigen. So hat Rozsika Farkas gelernt, aus schlichten, preiswerten Zutaten gutes Essen zu zaubern, mit dem sie auch Gäste glücklich gemacht hat. Geärgert hat sie sich immer wieder über Bekannte, die – obwohl finanziell gutgestellt – Biolebensmittel zu teuer fanden. Insofern schlummerte die Idee, einmal zu beweisen, dass Bio für wenig Geld möglich ist, schon länger in ihr.
Sie bloggt auf „Arm aber Bio“ über Resteverwertung und teilt die besten Rezepte. Mittlerweile gibt es auch das „Arm aber Bio“-Kochbuch.