Umwelt + Nachhaltigkeit

Naturkosmetik unter falscher Flagge

21. Okt. 2019 von

Oliven auf der Tube, »Bio« im Namen, fast 100 % natürliche Inhaltsstoffe – immer mehr Kosmetik- und Pflegeartikel kommen besonders natürlich und biologisch daher. Doch halten die Produkte, was ihre Verpackungen versprechen? Wir haben uns Cremes, Lotions und Shampoos angeschaut und erklären, mit welchen Tricks die Hersteller uns hinters Licht führen.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wird Dir von der Verbraucherzentrale Hamburg zur Verfügung gestellt. (Stand: 31.07.2019)

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

Immer mehr Unternehmen der Kosmetikbranche springen auf den Zug der Naturkosmetik auf und verpassen ihren Produkten ein grünes Image. Viele der vermeintlich natürlichen und biologischen Pflegeprodukte enthalten jedoch synthetische Inhaltsstoffe, die in echter Naturkosmetik verboten sind. »Bio« im Namen, »Natürliches Wasser«, pflanzliche Inhaltsstoffe – die Verbraucherzentrale entlarvt mit einem Marktcheck die Tricks der Branche.

Natur- und Biokosmetikprodukte liegen im Trend, weil sie oft haut- und umweltfreundlicher sind als konventionelle Pflegeprodukte. Um von der wachsenden Kauflust vieler Menschen zu profitieren, gestalten Hersteller herkömmlicher Pflegeartikel ihre Produkte zunehmend in Naturoptik und mit Bio-Wording, ohne sich jedoch an die Standards der Naturkosmetikbranche zu halten.

Diese Gesichtscreme von „Biotherm“ erfüllt trotz des Prädikats „Bio“ keine Naturkosmetik-Standards:

Wir haben die Etiketten von 16 vermeintlichen Natur-Pflegeprodukten wie Cremes, Lotions oder Shampoos stichprobenartig überprüft und flüssige Kunststoffe und synthetische Inhaltsstoffe darauf gefunden. Unser Fazit: Es müssen dringend rechtsverbindliche und einheitliche Vorgaben für Naturkosmetik her, um Greenwashing zu verhindern.

Greenwashing-Tricks der Kosmetik-Hersteller

1. »Bio« im Namen: Obwohl „Bio“ im Produkt- oder Markennamen vorkommt, sind die Inhaltsstoffe nicht „Bio“ und nicht natürlichen Ursprungs. Teilweise verweisen die Anbieter sogar darauf, dass „der Gesetzgeber BioKosmetik nicht weiter reguliert“ und sie daher freie Handhabe hätten.

2. Pflanzliche Inhaltsstoffe: Grün schimmernde Flaschen, angedeutete Blätter und Früchte, groß ausgelobte natürliche Pflegeöle sollen darüber hinwegtäuschen, dass die Produkte viele synthetische Stoffe enthalten. Da die Liste der Inhaltsstoffe, die sogenannte INCI-Liste, für Laien nur schwer zu entziffern ist, haben Anbieter ein leichtes Spiel. Besonders beliebt: „frei von“-Deklarationen, die jedoch selten vollständig sind. Ein Hersteller argumentierte, dass es sich bei seinem Produkt nicht um eine „zertifizierte Naturkosmetikmarke handele, sondern um eine von der Natur inspirierte, positive Lifestyle-Marke“.

Die Verbraucherzentrale kritisiert: „Greenwashing durch Produktgestaltung“ bei diesem Shampoo von „Nature Box“

3. »Natürliches Wasser«: Mehr Wasser gleich mehr Natur, lautet die Devise seit September 2017. Dank einer europaweiten Iso-Norm dürfen Kosmetikhersteller seither die Zutat Wasser den natürlichen Inhaltsstoffen zuordnen. Viele Anbieter machen sich das zunutze und treiben die Zutaten natürlichen Ursprungs auf diese Weise in die Höhe, um die Prozentanteile werbewirksam auf der Verpackung auszuloben. So wird beispielsweise eine Feuchtigkeitspflege, die 63 Prozent Wasser enthält, mit „97 % Inhaltsstoffen natürlichen Ursprungs“ beworben.

Das „Hanföl Shampoo“ von „Hello Nature“ weckt falsche Erwartungen:

GUT ZU WISSEN

Greenwashing bei Kosmetik ist nicht neu, doch mit dem wachsenden Markt gibt es immer mehr Trittbrettfahrer. In vielen Produkten, die natürlich und biologisch daherkommen, stecken Mineralölbestandteile, Parabene oder Silikone. Doch wie erkennt man „echte“ Naturkosmetik und gute natürliche Pflegeprodukte? Wir beantworten die wichtigsten Fragen. ⇒ FAQ: Wie erkenne ich Naturkosmetik und natürliche Pflegeprodukte?

Gesetzliche Vorgaben erforderlich

Wir müssen dieser Täuschung im Drogeriemarkt ein Ende setzen! Der Gesetzgeber ist gefordert, in Form eines unabhängigen, kontrollierten Labels, rechtsverbindliche und einheitliche Vorgaben für Naturkosmetik zu schaffen. Nur wenn Natur oder Bio drin sind, darf es auch draufstehen. Ein vertrauenswürdiges Label könnte Verbrauchern beim Einkauf von Kosmetik- und Pflegeprodukten helfen, nicht auf die Maschen der Hersteller hereinzufallen. Das Wirrwarr der derzeit rund 30 unterschiedlichen privaten Siegel für Naturkosmetik hingegen gibt vielen Menschen kaum Orientierung.

Die Verbraucherzentrale Hamburg & CodeCheck

Die Verbraucherzentrale Hamburg ist die Interessenvertretung für Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie setzt sich öffentlich – gegenüber der Politik, den Behörden, der Wirtschaft – und mit rechtlichen Mitteln für einen wirksamen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Verbraucherschutz ein. Sie bietet Ratsuchenden unabhängige Beratung und Information zu zahlreichen Themen, unter anderem aus den Bereichen Lebensmittel, Ernährung, Umwelt und Nachhaltigkeit. Mit Informationskampagnen leistet der gemeinnützige Verein seit Jahren wichtige Aufklärungsarbeit. Für die Bewertung von E-Nummern in Lebensmitteln greift CodeCheck schon lange auf das Wissen der Verbraucherschützer zurück. Ab sofort publiziert die Verbraucherzentrale Hamburg auch regelmäßig relevante und spannende Beiträge bei CodeCheck.