Interview: Inhaltsstoffe im CodeCheck

Was macht „gute” Kosmetik aus?

29. Juni 2022 von

Was genau ist eigentlich gemeint, wenn von „guter“ Kosmetik die Rede ist? CodeCheck hat dazu einen klaren Standpunkt. Unsere wissenschaftliche Leiterin und Inhaltsstoffexpertin Dr. Ruta Almedom beantwortet die Fragen, ob Naturkosmetik wirklich immer die bessere Wahl ist und warum „vegan“ nicht auch identisch mit „tierversuchsfrei“ ist.

Was bedeutet „gute“ Kosmetik für CodeCheck?

„“Gut“ sind für uns Kosmetikprodukte dann, wenn sie keine potenziell schädlichen Stoffe für Gesundheit und Umwelt enthalten. Dabei ist Nachhaltigkeit ein besonders wichtiger Aspekt für uns. Zum einen in Bezug auf die Umwelt, was den Verzicht auf Stoffe wie zum Beispiel Mikroplastik und andere schwer abbaubare synthetische Polymere, zyklische Siloxane oder auch nicht zertifiziertes Palmöl bedeutet. Zum anderen hinsichtlich der Gesundheit, womit der Verzicht auf beispielsweise hormonell aktive Substanzen oder allergene Duftstoffe einhergeht“, so Dr. Ruta Almedom.

Was sind die Unterschiede von Naturkosmetik und konventioneller Kosmetik?

„Leider wird es für uns immer schwieriger, sich in der Welt der verlockenden Produktversprechen zurechtzufinden.“

Produktversprechen wie „100 % Wirkstoffe auf pflanzlicher Basis“, „Mit den Wirkstoffen der Natur“ oder „Alle pflanzlichen Inhaltsstoffe aus biologischem Anbau“ suggerieren Produkte mit Stoffen rein natürlichen Ursprungs.

„Sie schließen jedoch nicht aus, dass das entsprechende Produkt auch synthetische, chemisch veränderte oder bedenkliche Stoffe für Mensch und Umwelt beinhalten kann“, sagt Almedom.

Wie der Name bereits andeutet, finden sich in zertifizierter Naturkosmetik naturidentische oder naturnahe Inhaltsstoffe. Auch wird unter anderem Wert auf Nachhaltigkeit in Sachen Inhalt, Verpackung und Herstellung gelegt. Dabei soll Naturkosmetik nicht missverstanden werden als “natürlich” im Sinne von “unverändert”, denn die eingesetzten Inhaltsstoffe dürfen auch hier chemisch verändert werden. Im Gegensatz zur konventionellen Kosmetik wird aber der Einsatz bestimmter Stoffe in Naturkosmetik beschränkt.

Welche Stoffe sind in Naturkosmetik nicht erlaubt?

Inhaltsstoffe, die in Naturkosmetik nur beschränkt eingesetzt werden dürfen, findest Du häufig in konventioneller Kosmetik: Rohstoffe auf Erdölbasis, nicht nachwachsende Rohstoffe, gentechnisch veränderte Organismen, synthetische Fette, Öle und Duftstoffe, Silikone, Mikroplastikpartikel und andere synthetische Kunststoffe zum Beispiel.

„Diese Vorgaben können je nach Siegel oder Label von Produkt zu Produkt variieren, denn ein einheitliches Regelwerk gibt es bisher nicht. In Naturkosmetik finden sich oft Inhaltsstoffe, die pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Ursprungs sind. Dazu gehören bestimmte Öle, Wachse, Fette und Extrakte und ätherische Öle“, erklärt Almedom.

Zur Einschätzung von Naturkosmetik und Biokosmetik bezieht CodeCheck die Empfehlungen von labelinfo oder label-online der „Verbraucher Initiative e. V.“ mit ein. Sie bewertet Siegel und Label, so dass Du Dich bei der Suche nach einer zuverlässigen Kennzeichnung bei CodeCheck oder auf diesen Seiten informieren kannst.

Ist Naturkosmetik besser als herkömmliche Kosmetik?

Nein, so pauschal lässt sich das nicht sagen. Nicht für alle Konsument:innen ist Naturkosmetik immer besser als konventionelle Kosmetika.

„Es kommt auch auf die individuellen Bedürfnisse an. Häufig sind Duftstoffe die Ursache für Allergien gegenüber kosmetischen Produkten. Synthetische Duftstoffe gehören daher zu den Inhaltsstoffen, die nicht in Naturkosmetik enthalten sein dürfen. Jedoch ist die Bezeichnung „Naturkosmetik“ nicht per se ein Garant für ein „unbedenkliches” Produkt. Denn auch die hier verwendeten ätherischen Öle können beispielsweise allergieauslösend oder sensibilisierend sein“, betont Almedom.

Insbesondere bei Pflanzenextrakten ist eine Sicherheitsbewertung schwierig, da es sich häufig um komplexe Mischungen aus einer Vielzahl von Stoffen handelt und deren Zusammensetzung in Abhängigkeit von Ernte, Herkunft und weiteren Faktoren schwanken kann. Eine allergisierende Wirkung können sowohl synthetische Substanzen als auch Naturstoffe hervorrufen. Ein Beispiel:

„Kamille wird mit vielen positiven Eigenschaften in Verbindung gebracht. Naturkosmetikhersteller setzen die Pflanze gerne als gesamten Extrakt ein. Dagegen verwendet die konventionelle Kosmetik den aus der Kamille isolierten Wirkstoff Bisabolol, der im Vergleich zum Extrakt weniger allergieauslösend wirkt“, führt Almedom an. „Auch wenn es um die Glaubwürdigkeit der Produktversprechen geht, ist es nicht ausschlaggebend, ob ein Produkt Naturkosmetik oder konventioneller Kosmetik zuzuordnen ist. Vielmehr kommt es auf die einzelnen Inhaltsstoffe und ihre Wirksamkeit an.“

Die richtige Wahl Deiner Kosmetik unterstützt eine nachhaltige Hautpflege, doch fängt sie zuallererst bei der Ernährung an. Auch gehören Bewegung, weniger Stress, Verzicht auf Zigaretten und ausreichender Sonnenschutz dazu, um nur einige Aspekte der Pflege zu nennen.

Gibt es Stoffe, die Du meiden solltest?

Bei Pflegeprodukten solltest Du zunächst herausfinden, was Deine eigene Haut braucht. Im zweiten Schritt kannst Du dann checken, was im Produkt enthalten ist.

„Achte vor allem auf die verwendeten Konservierungsmittel, Farb- und Duftstoffe, Emulgatoren oder Tenside. Bei zu Trockenheit neigender Haut ist es beispielsweise wichtig, die waschaktiven Substanzen oder Tenside zu überprüfen. SLS und SLES sind häufig verwendete synthetische Tenside, welche die Haut gerade bei häufiger Verwendung austrocknen können. Da sie erdölbasierte Inhaltsstoffe sind, findest Du sie selten in Naturkosmetik. Diese greift zu milderen Tensiden wie Zuckertensiden, die aus Zuckerresten und höheren Fettsäuren, zum Beispiel Sojaöl, Kokosöl oder auch Palm- und Palmkernöl, hergestellt werden. Es gibt aber auch Seifen, die aus Tierfetten hergestellt werden“, bemerkt Almedom.

„Menschen mit empfindlicher Haut sollten auf allergene Duftstoffe wie Hexylcinnamal, Linalool, Benzylsalicylat, Butylphenyl Methylpropional, Eugenol und Geraniol achten. Es besteht auch die Gefahr, dass sie auf ätherische Öle und Duftstoffe in Naturkosmetik reagieren. In diesem Fall ist es ratsam, generell zu parfümfreien Produkten zu greifen.“

Konventionelle Kosmetik setzt häufig auch umweltrelevante Inhaltsstoffe wie Mikroplastik und andere schwer abbaubare Polymere ein. Diese Stoffe gelangen durch die Kosmetik in unser Abwasser und von dort in offene Gewässer oder auf Felder, wo sie nicht nur in unsere Nahrungskette gelangen können, sondern auch Jahrzehnte mit nicht geklärtem Einfluss in unserer Umwelt verbleiben. Mithilfe von CodeCheck kannst Du diese Inhaltsstoffe erkennen und vermeiden.

Sind Siegel und Zertifikate eine sinnvolle Orientierung?

„Auch das ist eine individuelle Frage. Zertifizierte Naturkosmetik kann für Allergiker:innen oder Veganer:innen ungeeignet sein, wenn bestimmte ätherische Duftstoffe oder tierische Stoffe enthält. Hinzu kommt, dass viele Hersteller eigene Siegel kreieren und diese von unabhängigen Zertifizierungen kaum zu unterscheiden sind. Diese Situation erfordert viel Eigeninitiative und Recherche, um herauszufinden, was hinter den Zertifizierungen steckt“, gibt Almedom zu bedenken.

Tatsächlich führt die Verwendung zahlreicher unterschiedlicher Siegel und Labels zur Bewertung von nachhaltigen, gesunden Produkten zur Verwirrung unter Verbraucher:innen. Ein eindrückliches Beispiel: „Vegane” Kosmetik bedeutet nicht auch gleichzeitig, dass sie frei von Tierversuchen ist.

Um an für Dich wertvolle Produktinformationen zu gelangen, kannst Du ganz einfach den Barcode einzelner Kosmetikprodukte mit der CodeCheck-App scannen.

Noch mehr Wissenswertes dazu kannst Du im Podcast „Mit gutem Beispiel“ nachhören. Darin beantwortet CodeCheck-Inhaltsstoffexpertin Dr. Ruta Almedom die Frage „Wie treffe ich nachhaltige Kaufentscheidungen?“ und geht im Einzelnen auch auf das Thema „Naturkosmetik“ ein.

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