Spielzeug & Lernspiele

Nachhaltiges Spielzeug | Playmobil ohne Erdöl

12. Juli 2012 von

Lego, Barbie und Co. basieren auf Erdöl, einem fossilen Rohstoff. Damit künftige Generationen nicht auf das Spielzeug verzichten müssen, experimentieren Hersteller mit Plastic aus nachwachsenden Rohstoffen – mit unterschiedlichem Erfolg.

Die globalen Erdölvorkommen sind begrenzt. Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert 2035 als das entscheidende Jahr, in dem die maximale Förderung erreicht sein wird (unkonventionelle Ölquellen eingeschlossen). Danach werde Jahr für Jahr weniger Erdöl auf den Markt kommen. Irgendwann sind die Reserven erschöpft. Das ist ein Problem, auch für die Hersteller von Plasticspielzeug. Sie setzen deshalb vermehrt auf Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen.

Verschiedenste Rezepte

Die deutsche Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) unterscheidet grob zwei Gruppen: Zum einen gibt es die klassischen Bio-Kunststoffe, zum Beispiel auf Basis von Polymilchsäuren (PLA) oder Cellulose-Acetat. Für Erstere wird vor allem Stärke aus Mais oder Getreide benötigt, Letzteres braucht Holzabfälle. «Diese Bio-Kunststoffe haben je nach Typ leicht andere Eigenschaften als vergleichbare Produkte auf Rohölbasis», erklärt Gabriele Peterek von der FNR. «PLA-Kunststoffe sind beispielsweise weniger hitzebeständig.» Die zweite Gruppe sind Kunststoffe wie Polyethylen, mit den gleichen Eigenschaften wie die herkömmlichen Produkte, sie werden aber zum Beispiel aus Zuckerrohr hergestellt.

Auswahl ist also vorhanden. Doch einen herkömmlichen Kunststoff durch einen aus nachwachsenden Rohstoffen zu ersetzen, ist kein Kinderspiel. Man kann nicht einfach weiterproduzieren wie bisher. Diese Erfahrung hat Thomas Napieralski gemacht, der Inhaber von Eurodisc. Die Firma stellt Frisbee-Scheiben her und hat im Frühjahr auf der Spielwarenmesse in Nürnberg erstmals Scheiben aus nachwachsenden Rohstoffen präsentiert – nach dreieinhalb Jahren Entwicklungszeit. Es war laut Napieralski nicht einfach, die richtige Rezeptur für den Kunststoff zu finden. Erste Prototypen waren schlicht zu schwer, 280 Gramm statt der üblichen 175 Gramm. Die Scheiben flogen nicht.

Produkte wie Frisbee-Scheiben sind eine besondere Herausforderung, denn sie müssen flexibel sein. Das ist mit Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen schwieriger hinzubekommen als mit rohölbasiertem Material. Es gilt die Faustformel: je weicher, desto schwieriger zu verarbeiten. Diese Erfahrung hat auch Napieralski gemacht: «Einmal bildeten sich Blasen, dann schälte sich die äussere Lage ab, dann blieb das Material in der Maschine kleben.» In den Monaten vor der Messe hat er fast wöchentlich eine neue Rezeptur ausprobiert, bis er endlich zufrieden war.

Lieferant des Kunststoffs ist die Firma Tecnaro aus der Nähe von Stuttgart. Sie hat mit Kunststoffen auf Holzbasis angefangen. Bei den Frisbee-Scheiben kommt jedoch eine Rezeptur aus Polyethylen auf Basis von Zucker und einem Bio-Polyethylen zum Einsatz. Rund 1000 Rezepturen hat das Unternehmen in der Produktpalette. Zu den Kunden gehört auch die Firma Schleich, ein Hersteller von Kunststoff-Figuren für das Kinderzimmer. Das Unternehmen führt bereits seit geraumer Zeit Versuche mit Werkstoffen auf PLA-Basis durch.

Hersteller wie Eurodisc und Schleich haben einen Vorteil: Sie benötigen für ihre Produkte meist nur einen einzigen Kunststoff beziehungsweise ein einziges Kunststoffgemisch. Bei anderen Produkten besteht das Spielzeug aus mehreren Teilen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Ein Beispiel sind Playmobil-Figuren: Die Hände bestehen aus Polyacetal, damit sie aufschnappen und zurückfedern, wenn sie Werkzeuge greifen. Bei den Haaren kommt Polypropylen zum Einsatz. Für die Innenteile braucht es diverse Hightech-Polymere; der Rest ist aus Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) gefertigt.

Seit Herbst 2011 sucht der technische Leiter von Playmobil, Robert Benker, nach geeignetem Material auf Basis nachwachsender Rohstoffe: «Es kristallisiert sich heraus, dass PLA-basierte Kunststoffe wegen der mechanischen Eigenschaften für uns am geeignetsten sind.» Vor allem für das wichtigste Material ABS hat er so einen Ersatz. Bei Polymeren aus nachwachsenden Rohstoffen ist er jedoch skeptisch. Das Plastic breche leichter. «Allein schon aus Sicherheitsgründen können wir uns den Einsatz nicht erlauben.» Deshalb werden etwa die Flügel von Playmobil-Drachen nicht so schnell aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sein.

Wasser und Farbe als Problem

Ein Problem für die Entwickler der Branche ist auch Wasser: Bei den neuen Materialien machen sich Witterungsbedingungen deutlich stärker bemerkbar als bei erdölbasierten Kunststoffen. Das ist bei Spielzeug ein wichtiger Aspekt. Plasticautos oder -schaufeln sollen sich nicht gleich verändern, wenn sie einmal im Regen liegen bleiben. Doch Kunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe enthalten Fette und Mineralien. Kommen sie mit Wasser in Kontakt, werden sie glatt und seifig – und der Frisbee flutscht aus der Hand.

Aus ähnlichen Gründen hat Benker von Playmobil bereits vor 15 Jahren Gemische aus Holz und Kunststoff verworfen. Dabei werden bis zu 60 Prozent Holzfasern mit Polypropylen und/oder Polyethylen-Terephthalat (PET) gemischt. Optisch hat der Werkstoff eine schöne Holzstruktur. Aber erstens ist er brüchiger, je mehr Holz er enthält. Und zweitens sei die Struktur nicht ganz dicht, erinnert sich der Ingenieur. Komme sie mit Wasser in Berührung, quelle sie, und die Oberfläche werde schwammig. «Das ist richtig eklig», sagt Benker.

Schleich ist noch auf eine weitere Schwierigkeit gestossen, die einer Marktreife entgegensteht. Die grösste Hürde für den Einsatz von alternativen Werkstoffen sei die Bemalung und die Haftung der Farbe auf diesen Oberflächen, erklärt Marketingchef Lars Schilling. Der Prozess geschieht Figur für Figur in Handarbeit. Noch blättert die Farbe bei Kunststoffen auf Basis nachwachsender Rohstoffe zu schnell ab. Auch Playmobil hat Probleme mit den Farben. Schwarz und weiss, das geht gut, aber sonst ist die Palette noch nicht breit. Zumal man auch die Färbung gerne auf nachwachsende Rohstoffe umstellen würde. (Bis anhin basiert das Rot auf Eisenerz; Blautöne können aus der Natur gewonnen werden.)

Die Frisbee-Scheiben von Eurodisc sind mit herkömmlichen Farben gefärbt. Das Neongelb, -grün oder -orange leuchtet auf dem Bio-Plastic etwas matter als auf herkömmlichem Kunststoff. Meist kommen als Farben Granulatkonzentrate zum Einsatz; diese hat Tecnaro auch auf Basis nachwachsender Rohstoffe im Angebot. Die Farbe selbst ist jedoch meist noch mineralisch. Denn bei Färbung mit nachwachsenden Rohstoffen wird es nicht nur teurer, auch die Qualität lässt oft zu wünschen übrig. «Die Farben sind meist weniger stabil und nicht so lichtecht», sagt Jürgen Pfitzer, Geschäftsführer von Tecnaro. Bei sonstigen Zusätzen setzt Playmobil bereits nachwachsende Rohstoffe ein. Bei thermoplastischen Elastomeren ersetzen zum Beispiel medizinische Öle die herkömmlichen Weichmacher.

Konkurrenz zur Nahrung

Selbst wenn die Unternehmen die technischen Herausforderungen in den Griff bekommen: Sofort ganz auf die neuen Rohstoffe umzustellen, wird schwierig. Es wird nämlich nicht genug Bio-Plastic produziert. 25 000 Tonnen Kunststoff verbraucht beispielsweise Playmobil pro Jahr, davon 18 000 Tonnen ABS. «Es gibt noch niemanden, der solche Mengen aus Bio-Plastic liefern kann», sagt Benker. Aber das werde sich in den kommenden Jahren ändern. Zum Vergleich: Spezialist Tecnaro hat derzeit Kapazitäten für 10 000 Tonnen pro Jahr. Diese wachsen jedoch vergleichsweise schnell. Eine neue Anlage lässt sich in sechs bis acht Monaten bauen.

Bauchschmerzen bereitet den Spielzeugfabrikanten auch die Diskussion um die Konkurrenz zu Nahrungsmitteln, wenn das Spielzeug aus Mais, Zucker oder Getreide gefertigt wird. Es wäre schlimm, wenn ihr Produkt für den Hunger in der Welt mitverantwortlich gemacht würde, heisst es da. Die FNR verweist in diesem Zusammenhang auf Hochrechnungen, wonach rund vier Prozent der weltweiten Anbauflächen ausreichen, um den globalen Bedarf an Kunststoff zu decken. «Ausserdem werden bereits heute einige Bio-Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt, die nicht als Nahrungs- oder Futtermittel geeignet sind», sagt Peterek. «Dazu zählen zum Beispiel Holz oder Reststoffe, die bei der Herstellung von Stärke und Pflanzenöl anfallen.»

Die letzte und nicht unwesentlichste Hürde für Bio-Plastic ist der höhere Preis. Benker spricht von einem Faktor zwei, die FNR je nach Kunststoff sogar vom Vierfachen. Das ist nicht wettbewerbsfähig. Eine steigende Nachfrage nach Spielzeug könnte für Entspannung sorgen, zugleich dürfte ein steigender Preis für Rohöl zu einer Angleichung der Kosten beitragen.

Keine Spielerei

Insgesamt ersetzt die Spielwarenindustrie das Erdöl nur langsam durch nachwachsende Rohstoffe. Einige Hersteller hinken der Entwicklung hinter, andere preschen vor. Schleich plant, im kommenden Jahr erste Figuren aus Bio-Kunststoffen auf den Markt zu bringen. Auch Playmobil ist optimistisch, bald so weit zu sein. Beim dänischen Konkurrenten Lego heisst es hingegen: «Bisher haben wir noch keinen Ersatz gefunden, der die gleichen Eigenschaften bietet.» Und der amerikanische Spielwarenkonzern Mattel – unter anderem Hersteller von Barbie – stuft alle Angaben zum Thema nachwachsende Rohstoffe als vertraulich ein. Schleich sieht und kommuniziert die Problematik deutlicher. «Uns ist klar, dass PVC oder ähnliche erdölbasierte Kunststoffe auf absehbare Zeit wegfallen werden», sagt Schilling. Die Suche nach Ersatz ist für ihn keine ökologische Spielerei, sondern eine ökonomische Notwendigkeit.