Doku-Tipp

Multiresistente Keime durch illegale Pharma-Abwässer?

08. Mai 2017 von

Große Pharmahersteller entsorgen anscheinend die Reste ihrer Medikamentenherstellung illegal in umliegende Gewässer. Sie sollen so zur Bildung multiresistenter Keime beitragen, die sich global ausbreiten. Am 08. Mai zeigt die „ARD“ zu diesem Thema eine Dokumentation: „Der unsichtbare Feind – Tödliche Supererreger aus Pharmafabriken“.

Pharmafabriken leiten Industrieabwässer in die Umwelt

Reporter des „NDR“, „WDR“ und der „Süddeutschen Zeitung“ analysierten gemeinsam mit dem Infektionsmediziner Dr. Lübbert vom „Universitätsklinikum Leipzig“ mehrere Gewässerproben rund um die Pharmafabriken der indischen Metropole Hyderabad. Hier lassen unter anderem auch „Ratiopharm“, „Hexal“ und „Stada“ ihre Wirkstoffe produzieren.

Die Recherchen stützen sich auf die Annahme, Pharmafabriken würden große Mengen Antibiotika illegal entsorgen. Eigentlich sollten Unternehmen ihre Industrieabwässer direkt auf dem eigenen Gelände reinigen. Da die Aufbereitung der Reste in der Medikamentenherstellung jedoch enorme Kosten verursache, leiteten die Hersteller ihre Abwässer in die Umwelt, um im globalen Wettbewerb günstiger produzieren zu können. Die ausländischen Unternehmen bestreiten diese Vorwürfe jedoch und hegen sogar erhebliche Zweifel gegen die Untersuchungsergebnisse.

Multiresistente Keime als globale Bedrohung

Die im November 2016 entnommenen Proben wurden vom „Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung“ (IBMP) in Nürnberg auf Medikamentenrückstände untersucht. Und tatsächlich konnten sogar hundert bis tausendfach höhere Konzentrationen oberhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwertes gefunden werden.

Wenn Antibiotikarückstände auf diese Weise in die Umwelt gelangen, entwickeln die dort lebenden Bakterien Abwehrmechanismen und werden resistent. Da sie so einen Vorteil gegenüber anderen Bakterien haben, können sie sich schneller ausbreiten.

Dr. Lübbert beschreibt eine erschreckend hohe Zahl an Patienten, die solche multiresistenten Keime mit sich schleppen. Weltweit sterben daran um die 700.000 Menschen jährlich. Problematisch dabei ist, dass neben dem Auftreten tödlicher Infektionen auch Operationen oder Chemotherapien an ihre Grenzen stoßen, wenn Antibiotika nicht mehr gegen die resistenten Bakterien ankommen.

Krankenkassen in der Verantwortung?

Rund 80 bis 90 Prozent aller Antibiotikamedikamente werden in China und Indien hergestellt. Auch Deutschland ist von der dortigen Produktion abhängig, da die niedrigen Preise, meist nur ein paar Cent pro Tagesdosis, eine innereuropäische Herstellung nicht kostendeckend zulassen.

Experten sehen hier unteranderem die Krankenkassen in der Verantwortung. Sie müssten vermehrt soziale und Umweltaspekte miteinbeziehen. Diese Vorwürfe werden jedoch zurückgewiesen. Die „Barmer“ schreibt beispielsweise, sie erwarten von den Herstellern eine umweltfreundliche Produktion genauso wie die Kontrolle der zuständigen Behörden und Unternehmen. Die Krankenkassen selber wären gezwungen wirtschaftlich zu handeln.

„Umweltbundesamt“ fordert Erweiterung der Vorschriften

Das „Umweltbundesamt“ fordert deshalb eine Erweiterung der Vorschriften zur „Guten Herstellungspraxis“. Alle Hersteller die nach Europa importieren, müssten sich an diese Richtlinien halten. Dies soll von europäischen Behörden überwacht werden, die die Fabriken vor Ort kontrollieren.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) lehnt eine Verschärfung der Richtlinien jedoch ab und verweist darauf, dass das Problem nicht dadurch gelöst wird, Hersteller einfach vom europäischen Markt auszuschließen.