„Naturkosmetik“

Falsche Versprechen – grün verpackt!

15. März 2018 von

In der Drogerie finden sich heute immer mehr Kosmetika in den Regalen, die mit erdigen Tönen, minimalistischem Design und Aussagen wie “100 % natürlich” in vermeintlich grünem Gewand daherkommen. Hier erklärt ein Markenpsychologe was dahinter steckt und Du erfährst, warum ökologisches Verpackungsdesign das Prüfen von Siegeln und Inhaltsstoffen nicht ersetzen kann.

Der Bio-Trend ist auch auf dem Kosmetikmarkt angekommen: Insgesamt bringen Naturkosmetika in Deutschland mehr als eine Milliarde Euro Umsatz. Damit kommt die einstige Öko-Nische auf rund ein Zehntel des kompletten Umsatzes der Kosmetikbranche hierzulande. Konventionelle Konkurrenten wachsen deutlich langsamer. Naturkosmetik ist damit aus der “Öko-Nische” im Mainstream angekommen. Selbst die Modekette H&M bietet mit ihrer “Conscious”-Linie heute Naturkosmetik an.

Nicht alles, was sich als Naturkosmetik ausgibt, ist es auch

Viele Produkte scheinen dabei jedoch grüner, als sie tatsächlich sind. Denn Label und Aussagen wie "Naturkosmetik" oder "100 % natürliche Inhaltsstoffe" sind gesetzlich nicht geschützt. Wer Rohstoffe aus biologischem Anbau will und auf synthetische Farb- und Duftstoffe, Silikone, Paraffine, Mikroplastik und andere Erdölprodukte verzichten möchte, sollte zu "zertifizierter Naturkosmetik" greifen - oder Inhaltsstoffe und Herkunft gründlich prüfen. Dies fällt im Dschungel wachsender, scheinbar grüner Kosmetik mit diversen Aussagen wie “ganz natürlich” oder “Frei von Silikonen und Parabenen” jedoch schwer.

Frau Supermarkt Drogerie
shutterstock

Mogelpackung: der grüne Schein trügt

Auch Verpackungen lassen mit erdigen Tönen und minimalistischen Design heute gern auf Ökologie und Nachhaltigkeit schließen. Untersuchungen zeigen, dass wir aufwendige Verpackungen ebenso wie hohe Preise automatisch mit höherer Qualität gleichsetzen. Nicht selten sind sie solche Produkte jedoch eine Mogelpackung.

Die L’Oréal Botanicals Fresh Care Shampoo Koriander Stärke-Kur sieht beispielsweise natürlich aus, enthält aber erdölbasierte Sulfate, Tenside und PEGs.

Das Maui Thicken & Restore Shampoo wirbt mit Attributen wie "No Silicones" "No SLS" "No Sulfate", beinhaltet aber PEGs und Formaldehydabspalter.

Die Jean & Len Handsoap wirbt mit Aussagen wie "Vegan" "Ohne Silikone"und "Ohne Parabene", enthält unter anderem jedoch die erdölbasierte Waschsubstanz "Sodium Laureth Sulfate" (SLS).

Große Hersteller versuchen heute “kleiner” zu wirken

„Viele Konsumenten wünschen sie heute Überschaubarkeit und Vertrautheit. Sie wollen wissen woher ihr Produkt kommt und woraus es besteht“, erklärt Markenexperte Dr. Oliver Errichiello. „Viele finden kleinere Anbieter daher heute attraktiver, da sie vertrauenswürdiger erscheinen. Große Firmen versuchen vieles, um über die Verpackung eine gewisse Übersichtlichkeit und Klarheit zu vermitteln. Damit kopieren die großen Player heute oftmals die Kleinen“, so Errichiello.

Die Verpackung als Verkaufsargument

70 Prozent aller Kaufentscheidungen im Supermarkt oder der Drogerie fallen verschiedenen Untersuchungen zufolge völlig spontan. Oft kaufen wir mehr, als wir geplant haben und das liegt neben Überforderung angesichts der großen Auswahl auch an den geschickten Marketingtechniken der Hersteller.

„Eines der ersten Werbemittel per se ist ja die Verpackung, noch vor Plakaten oder Anzeigen. Sie ist die erste Möglichkeit, über ein Produkt zu informieren”, so Errichiello. „Hersteller nutzen mit dem Verpackungsdesign bzw. Erdtönen und minimalistischer Aufmachung etc. Signale, die wir ganz automatisch als “ökologisch” kategorisieren. Viele Konsumenten greifen dann einfach zu, denn die wenigsten setzen sich mit den tatsächlichen Inhaltsstoffen auseinander.“

Privat
Keine Silikone

Minimalismus und Natürlichkeit auf dem Vormarsch

Heute gibt es auf dem Naturkosmetikmarkt neben Urgesteinen wie Dr. Hauschka oder Weleda unzählige weitere Anbieter: Diverse, kleine und innovative Kosmetikmarken wie z. B. RMS Beauty, FINE, Nuori oder &Gretel punkten mit naturbasierten Inhaltsstoffen, überzeugendem Konzept und einem minimalistischen Verpackungsdesign.

Der Drogeriemarkt dm launchte mit „Naturschön“ gerade eine der Gesichtspflegeserie, die nicht nur auf synthetische Duft-, Farb- und Konservierungsstoffe sowie mineralölbasierte Inhaltsstoffe verzichtet, sondern auch auf Verpackungen aus wiederverwertbaren und nachwachsenden Materialien setzt.

Wer hier wirklich zu natürlichen Produkten greifen und nicht auf eine Mogelpackung hereinfallen will, sollte aber neben den Siegeln auch stets die Inhaltsstoffe studieren.

Bio ist mehr als Marketing

Nachhaltigkeit bzw. „Bio“ und „Natur“ muss auch in der Kosmetikbranche als ganzheitliches Konzept betrachtet werden. Es beginnt bei den Inhaltsstoffen, geht über die Verpackung und endet mit dem gesamten Umgang eines Unternehmens mit Mensch, Tier und Umwelt.

Viele kleine Hersteller können hier mit umfassenden und authentischen Konzepten überzeugen. Große Hersteller hinken hinterher. „Aber sie wissen, dass sie zumindest damit anfangen müssen, bestimmte Aspekte zu verwirklichen“, so Errichiello. Für den Markenexperte ist sicher: „Große Konzerne können nicht so weitermachen, wie bisher.“