Berauschende Geschäfte
Berauschende Geschäfte
Alcopops sichern der Branche fette Gewinne. Verlierer sind die Jugendlichen - sie bezahlen die Zeche mit ihrer Gesundheit.
Mit lausigen 60 Franken Sackgeld pro Monat kommst du nicht weit», klagt Dominik. Der 15-jährige Sekundarschüler aus Aarau rechnet knallhart - selbst wenn er mit seinem Freund Mario (16) im Ausgang «einen draufmacht». Bevor sich die beiden mit ihrer Clique treffen, decken sie sich jeweils mit dem Life-style-Getränk Smirnoff Ice ein. «Fünf Flaschen zu zweit und ein kleiner Joint fahren prima ein», lacht Mario. Im Pub brauche er später noch «ein grosses Bier, dann bist du randvoll und hast gar nicht viel Geld ausgegeben».
Dominik und Mario machen, was Tausende anderer Teenager in der Schweiz auch tun: Sie trinken regelmässig bis zum Umfallen - am liebsten alkoholische Mixgetränke - so genannte Alcopops. Die Zahlen der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) sind alarmierend: 12 000 Kinder im Alter von 11 bis 16 Jahren konsumieren jeden Tag Alkohol - Tendenz steigend.
Suchtexperten bereitet diese Entwicklung Bauchweh, und die grösste Gefahr für Heranwachsende orten sie auf dem boomenden Markt der Mixgetränke. Designerdrinks sind ganz auf den Geschmack der Jugendlichen getrimmt: süss, farbig und schick. «Mit dem Alcopop-Konsum markieren Jugendliche einen Status», sagt SFA-Direktor Richard Müller, «weil die Getränke für einen coolen Lebensstil stehen.»
Doch was knallbunt und harmlos daherkommt, hats in sich. Gegen sechs Volumenprozent Alkohol enthält ein durchschnittliches Mixgetränk - so viel wie ein starkes Bier. «Junge trinken heute nicht mehr als früher, aber sie betrinken sich häufiger», so Richard Müller. Und für ein Besäufnis sind Alcopops geradezu ideal: Durch die Kombination von Zucker und Alkohol ist ein schneller Rausch garantiert. Mit fatalen Folgen: Anfang Oktober mussten an einem Wochenende neun Schulkinder in spitalärztliche Behandlung - sie hatten übermässig gebechert. Auch die SFA-Statistik spricht eine deutliche Sprache: Bei den 15- bis 29-jährigen männlichen Jugendlichen sind nicht weniger als 10 Prozent der Todesfälle alkoholbedingt.
Der Durst der Jungen ist derzeit kaum zu stillen - die Nachfrage nach Designerdrinks scheint schier grenzenlos: Gingen vor zwei Jahren noch 2,5 Millionen Flaschen der farbigen Getränke über Schweizer Ladentische und Theken, warens 2001 bereits 28 Millionen. Und Dieter Dosoni von der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV) schätzt, dass es in diesem Stil weitergeht: «Die 40-Millionen-Marke dürfte Ende Jahr geknackt sein.»
«Wir hatten unter den Importeuren ein Gentlemen's Agreement, dass wir in der Schweiz solche Drinks nicht verkaufen», erklärte Heinz Sahli, Handelsdirektor von Bacardi-Martini Schweiz, vor zwei Jahren gegenüber der Zeitschrift «Beobachter». Doch der weltweit tätige Getränkemulti Guinness UDV habe das Abkommen gebrochen. Inzwischen dominieren die beiden Unternehmen das einheimische Alcopop-Geschäft. Aber nicht nach Belieben: Immer mehr Firmen wittern berauschende Umsätze und spülen laufend neue Mixgetränke auf den Markt. Beschränkte sich das Angebot 1999 noch auf zehn verschiedene Marken, so sind es heute schon weit über fünfzig. Dieter Dosoni: «Alle machen mit - Getränkeimporteure, Schnapsbrenner, Brauereien.»
Auch wenn die Händler behaupten, ein erwachsenes Publikum im Visier zu haben, sind es vor allem die ganz Jungen, die ins Alcopop-Regal greifen. SFA-Direktor Müller kritisiert: «Das Geschäft ist ganz klar auf Jugendliche ausgerichtet, obwohl alkoholische Mixgetränke laut Gesetz nicht an Minderjährige verkauft werden dürfen.» Testkäufe würden immer wieder zeigen, dass es für Teenager ein Kinderspiel sei, an Alcopops zu gelangen.
Im Detailhandel werden die bunten Fläschchen zu Preisen zwischen Fr. 1.60 und Fr. 2.20 angeboten. Genau hier will EAV-Mann
Dosoni ansetzen: «In Frankreich wurden Alcopops mit einer Gesundheitssteuer belegt. Nachdem eine Flasche im Laden bis zu 5 Franken kostete, brach der Markt total zusammen.» In Zusammenarbeit mit verschiedenen Departementen prüfe das EAV derzeit ähnliche Schritte. Doch allzu viel Hoffnung, der Alkoholbranche das Geschäft zu vermiesen, macht sich Dieter Dosoni nicht: «Der Ausgang ist völlig ungewiss.»
Thomas Roth