Forschungsdurchbruch

Erfolgsversprechende Aids-Therapie: So funktioniert die Gen-Schere

27. Feb. 2016 von

Die Schockdiagnose HIV verliert vielleicht bald einen Teil ihres Schreckens, denn deutsche Forscher haben eine neue Behandlungsart entwickelt. Studien an Patienten müssen sich noch bewähren.

Die bahnbrechenden News machten die Runde, als das Fachblatt „Nature Biotechnology“ die Forschungsergebnisse der TU Dresden und des Heinrich-Pette-Instituts in Hamburg veröffentlichte. Demnach haben die Forscher eine Art Schere aus Enzymen entwickelt, welche das Erbgut von infizierten HIV-Zellen zerstören kann. Das bedeutet Hoffnung für rund 28 Millionen HIV-Infizierte weltweit.

Damit man nachvollziehen kann, was diese möglicherweise revolutionäre Entwicklung bedeutet, muss man wissen, was im Körper passiert, wenn man sich mit HIV ansteckt. Sobald sich das Virus im Körper festgesetzt hat, ist und bleibt es in der Zelle und richtet Schaden an. Das Virus ist fähig, eine bestehende Zelle so aufzuspalten, dass das HI-Virus seine eigene DNA-Information in die Zelle einflechten kann und so Teil des natürlichen menschlichen Erbguts wird. Auf diese Weise greift es im Blut wandernde Immunzellen an und ist gleichzeitig gut geschützt vor Angriffen von anderen Zellen.

Heute ist die AIDS-Therapie so weit, dass man das Virus mittels Medikamenten in Schach halten kann, aber die Proviren (HIV-Träger) können auf diese Weise nicht entfernt werden.

So funktioniert die Zell-Schere

Das ändern die Enzym-Scheren der deutschen Wissenschaftler Frank Buchholz der TU Dresden und Joachim Hauber vom Heinrich-Pette-Institut in Hamburg mit ihren Teams. Mittels aufwändiger Technologie haben die Wissenschaftler ein Enzym so verändert, dass es in der Lage ist, bestimmte DNA-Abschnitte zu erkennen, dort das Virus-Erbgut herausschneidet und die Enden wieder nahtlos zusammenfügt. Zusammengefasst gesagt: Nachdem die Proviren gezielt aus den infizierten Zellen herausgeschnitten werden, baut die betroffene Zelle das gesamte Provirus ab – ein Verfahren, das erstmals Heilung in Aussicht stellt.

Das Enzym nennen die Forscher Rekombinase Brec 1. Sehr spannend dabei ist, dass die Rekombinase einen großen Anteil der versatilen HI-Viren erkennt (mehr als 90% aller bekannten Arten) und gleichzeitig keine anderen Erbgutstränge beschädigt. Dieser Ansatz hat sich in Tierversuchen und mit Zellstrukturen bewährt. Nun planen die Forscher eine erste Studie mit Patienten.

Aufwändige Studie mit HIV-Infizierten

Wie die Forscher dem Spiegel erklären, würden den HIV-Patienten diejenigen Stammzellen entnommen, von denen alle im Blut zirkulierenden Zellen stammen. Interessant seien vor allem jene Zellen, die vom Virus infiziert sind. Im Labor schleust man schließlich ein Gen in diese Zellen ein, welches den Bauplan für die Enzym-Schere enthält. Ein integrierter Schalter im Enzym sorgt dafür, dass die Schere nur dann zuschlägt, wenn auch tatsächlich HI-Viren vorhanden sind.

Die eigenen, behandelten Zellen werden den Patienten wieder eingespritzt. Die daraus entstehenden Immunzellen sind dann in der Lage, HI-Viren zu bekämpfen: Sobald Viren in die Zellen eindringen, aktiviert sich die Schere und tötet die Proviren ab. Ein bereits von HI-Viren geschwächtes Immunsystem kann sich so wieder regenerieren.

Risiken und Geldbeschaffung für die Pilotstudie

Aufgrund der sehr genauen und spezifischen Eliminierung von Proviren sind praktisch keine Nebenwirkungen zu befürchten. Den einzigen Zellschaden, den die Rekombinase anrichten könnte, wäre das Heraustrennen von zwei HI-Proviren, wenn sich diese nah beieinander festgesetzt haben. Obwohl es gemäß den Forschern unwahrscheinlich ist, wäre es dann möglich, dass die Rekombnase die beiden Proviren, aber auch das dazwischenliegende gesunde menschliche Erbgut killt. Tragisch sei das aber nicht, denn eine Zelle kann den Verlust aufgrund doppelt vorkommender Chromosomenpaare aufwiegen.

Bis anhin haben übrigens die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Else Kröner-Fresenius Stiftung und ein Programm des Heinrich-Pette-Instituts die Forschungen finanziert. Nun ist die erste Studie mit zehn Patienten genehmigt, die allerdings etwa 15 Millionen Euro kostet. Man ist in Gespräch mit Investoren, konkret ist aber noch nichts bekannt. Besonders teuer ist das Herstellen eines Genstrangs, der in die menschliche Zelle einsetzt wird. Das kostet vier bis fünf Millionen Euro und muss in einem spezialisierten Labor geschehen.

Ausblick: Wenn die Pilotstudie beim Menschen ebenso gut anschlägt wie bei den Mäusen und Zellkulturen, dann kann man in einigen Jahren AIDS wohl tatsächlich heilen.