Gesundheit

Lasst eure Kinder dreckig werden!

08. Apr. 2017 von

Schon lange vermuten Forscher, dass das Spielen im Dreck das Immunsystem von Kindern trainiert. Eine neue Studie untermauert diese sogenannte Hygiene-Hypothese.

Kinder und Jugendliche in Industriestaaten erkranken immer häufiger an Allergien, Asthma und Neurodermitis. Das belegen Untersuchungen wie die „KiGGS“-Reihe des „Robert-Koch-Instituts“. Viele Mediziner sehen in dem Hang zu Hygiene und Sauberkeit einen Grund für diese Entwicklung.

Reinlichkeit wird zum Problem

Dadurch treten nach Einschätzung der Heilkundler zwar Infektionskrankheiten seltener auf. Allerdings reagieren Stadtkinder ihren Erkenntnissen zufolge empfindlicher, wenn sie doch einmal mit natürlichen Keimen und Bakterien in Berührung kommen. Im Gegensatz dazu sind Kinder, die in einem bäuerlichen Umfeld aufwachsen und deshalb ständig verschiedensten Krankheitserreger ausgesetzt sind, weniger anfällig für diese Art von Erkrankung.

Dieser „Bauernhof-Effekt“ , der 1989 von schwedischen Wissenschaftlern erstmalig dokumentiert wurde, ist auch Gegenstand einer aktuellen Studie des Universitätsspitals Genf. Ein Team um den Pädiater Philippe Eigenmann erforschte den Mechanismus hinter dem Effekt genauer. Eine Untersuchung des Immunsystems von Kindern sei jedoch „nur anhand oberflächlicher Messwerte“ möglich, so Eigenmann.

Bauernhofmäuse sind resistenter

Aus diesem Grund zogen die Schweizer Mäuse groß – eine Gruppe in einem Kuhstall eines Bauernhofs und eine zweite im Labor. Ziel war es, Unterschiede in der körpereigenen Abwehr auszumachen. Tatsächlich wurden sie fündig: „Als sie die Versuchstiere mit einem künstlichen Allergen konfrontierten, reagierten die auf dem Bauernhof geborenen Mäuse weniger stark als ihre Artgenossen im Labor. Das maßen die Forschenden anhand der Dicke einer Schwellung am Ohr“, schreibt „Der Standard“ mit Verweis auf die Originalpublikation in der „Wiley Online Library“.

Bei Tieren, die ihre ersten vier Lebenswochen im Labor verbrachten und danach auf dem Bauernhof weiterlebten, stellten die Wissenschaftler ebenfalls eine schwächere Reaktion auf das Allergen fest. Auf der anderen Seite sei auch ihr Schutz schwächer ausgeprägt gewesen als bei den Mäusen, die die ganze Zeit im Stall hausten. Ähnliches sei auch bei Menschen zu beobachten: Kinder von Bäuerinnen, die während ihrer Schwangerschaft weiterarbeiteten, hätten am wenigsten Probleme mit Allergenen, erklärt Eigenmann.

Immer in Bereitschaft, aber immer reguliert

Außerdem habe sich gezeigt, dass das Immunsystem der Bauernhofmäuse durch die Keime aus dem Stall quasi ständig im Alarmzustand befand. Aktiv wurde es aber nur, wenn tatsächlich Grund dazu bestand. Obendrein hätten die Forscher im Verdauungstrakt dieser Mäuse mehr Bakterienarten und Viren gefunden. Auch das führe zu einem erhöhten Schutz.

Insgesamt, so das Resümee der Studie, würde das Landleben die Darmflora und das Immunsystem auf viele Arten verändern. Das könnten einzelne Präventionsmaßnahmen wie das Essen probiotischer Nahrungsmittel zum Aufbau von Bakterienstämmen nicht leisten.

Daher zieht Eigenmann gegenüber dem Schweizerischen Wissenschaftsfond „SNF“ das Fazit: „Wir sollten die Faktoren so global wie möglich betrachten und unser Konzept der Sauberkeit überdenken.“