Laktose- und glutenfreie Produkte bis 9mal teurer
Verbraucherschützer warnen vor überteuerten laktose- und glutenfreien Nahrungsmitteln, denn die Produkte sind oft unnötig.
Die Kühltheke im Supermarkt vor sich, sieht sich die 25-jährige Studentin Nadja mit gerunzelter Stirn um. Sie sucht Käse, Butter und Milch ohne Laktose. Bei ihr wurde unlängst eine Laktoseintoleranz festgestellt, nachdem sie mit schweren Bauchkrämpfen und Durchfall ins Spital eingecheckt hat. Sie hat ein großes Glas Milch und ein Joghurt gegessen. Die Ärzte klärten sie auf: Wenn sie Milchprodukte zu sich nimmt, die nicht mit dem Enzym Laktase behandelt wurde, bekommt sie Bauchschmerzen.
Um Milch laktosefrei zu bekommen, muss man der Milch Laktase beigeben. Diese spaltet die Laktose, also den Milchzucker, in seine Bestandteile Galaktose (Schleimzucker) und Glukose (Traubenzucker) auf. Darum schmeckt laktosefreie Milch viel süßer als normale.
Nadja ist eine von etwa 20 Prozent der Bevölkerung, die an einer leichten bis schweren Laktoseintoleranz leiden – Tendenz steigend. Auch bei den Gluten-Unverträglichkeiten sieht die Bilanz nicht anders aus: Hier ist jeder Hundertste betroffen.
Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind auf dem Vormarsch. Wie schön, dass die Lebensmittel-Hersteller immer mehr laktosefreie Produkte für uns herstellen. Aber: Streichen sie echt satte Gewinne ein? Und warum sind die Produkte so überteuert?
Lifestyleprodukte - Höhere Produktionskosten?
Der direkte Preisvergleich von Detailhändlern in der Schweiz zeigt: Eine Packung (600g) glutenfreie Cornflakes kosten bspw. in der Migros CHF 4.40.- Das M-Budget-Produkt kostet 1.60.- Die laktosefreie Butter kostet bei Coop CHF 6.63, während die Prix-Garantie-Variante CHF 2.60.- kostet. Happige Unterschiede. Klare Antworten, warum das so ist, bekommt man weder von den Grossverteilern noch von „laktosefrei-“ Marktführer Schaer aus Bozen (I). Migros und Coop begründen ihre Preisstruktur mit höheren Kosten für Rohstoffe, Produktion und Zertifizierung sowie kleineren Produktionsmengen. Die Migros sagt dem Kassensturz: „Reis und Mais, die Hauptzutaten glutenfreier Produkte, dürfen auf keinen Fall neben glutenhaltigem Getreide wachsen. Sie müssen mit speziellen Maschinen geerntet, in dafür vorgesehenen Transportern verfrachtet, in eigens konzipierten Mühlen gemahlen und immer wieder kontrolliert werden.“ Migros sagt weiter, dass sie an Spezialprodukten nicht mehr verdient als an normalen. Konkrete Zahlen liegen aber keine vor.
Um zu Butter bei die Fische zurückzukehren: Auch herkömmliche Butter enthält kaum Laktose. Die freche Marketingstrategie der Food-Designer will uns aber genau das Gegenteil weismachen – damit wir bis zu 9mal mehr für ein Produkt bezahlen, dass von Natur aus weder Gluten noch Laktose enthält. Schlau von denen, nicht wahr? Aber wir sind schlauer und kaufen ab sofort weder glutenfreie Butter, glutenfreien Hartkäse noch laktosefreie Nudeln. Das macht nämlich alles keinen Sinn – von Natur aus.
Laktose- oder glutenfreie Lebensmittel – Sinn oder Unsinn?
Nach wie vor gelten Produkte, die von Marketingstrategen als „frei von“ gelabelt werden, als gesund. Jedoch: Diese Hinweise sind nur für Personen mit Unverträglichkeiten wichtig. Alle anderen brauchen diese „free from“-Produkte aber nicht. Man wird als Normalverbraucher nicht gesünder, wenn man auf Laktose oder Gluten verzichtet. Dieses – vermeintlich – gesunde Extra kostet uns einfach mehr Geld. Wissenschaftlich ist nicht belegt, das eine glutenfreie Ernährung besser für unsere Gesundheit ist.
Wenn wir den Spieß aber mal umdrehen wird schnell klar, dass vor allem für laktoseintolerante Menschen immer noch Unklarheiten herrschen. Denn die Nahrungsmittelindustrie setzt zum Beispiel Eiscreme, Schokolade, Marzipan, Wurst oder Tiefkühlkost für eine cremigere Konsistenz gerne Molkepulver zu. Doch wer weiß schon, dass Molkepulver hauptsächlich aus Milchzucker besteht? Die Unterscheidung ist also nicht ganz einfach und das Labelling zu großen Teilen sinnvoll – wenn es nicht einer ausgeklügelten Marketingstrategie entspringt.
Unterschiedliche Ausgangslage bei Laktose- und Gluten-Intoleranz
Unterschiede gibt es in der Auswirkung der zwei genannten Unverträglichkeiten: Wer von Laktoseintoleranz betroffen ist, kann noch immer Laktoseprodukte geniessen. Manchmal ist es das Maß aller Dinge, manchmal sind es Medikamente, die helfen können. Ein absoluter Verzicht ist in den meisten Fällen also nicht nötig.
Anders hingegen bei Menschen mit Zöliakie: Wer betroffen ist, muss Gluten-Produkten lebenslang und konsequent entsagen. Gluten, das Kleber-Eiweiss von Weizen, Dinkel, Grünkern, Roggen, Gerste und Hafer, schädigt die Schleimhaut des Dünndarms und zerstört die Darmstruktur. So können bereits kleine Mengen zu Durchfall, Blähungen, Gewichtsverlust oder verzögertes Wachstum verursachen.