Folgen des Klimawandels: Nutzpflanzen speichern immer mehr Toxine
Einer neue Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) zufolge lässt extremes Wetter den Anteil von Giftstoffen in unseren Nahrungsmitteln steigen. Warum es einen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und dem Anstieg von Toxinen gibt und wieso eine Erderwärmung um drei Grad das Problem verschärfen würde, erklärt UNEP-Chefwissenschaftlerin Jacqueline McGlade in einem Interview mit der Deutschen Welle.
Im Gespräch mit DW-Journalistin Charlotta Lomas erklärt McGlade, dass sich die Flora auf immer häufiger auftretende Extremwetterereignisse wie Trockenperioden oder Hochwasser einstellt.
Ihr Tenor: Würden Nutzpflanzen unter normalen Anbaubedingungen eine ganze Reihe von Proteinen und alle Arten von wertvollen Nährstoffen produzieren, reichern einige Pflanzenarten in bestimmten Klimazonen inzwischen vermehrt Toxine an, damit sie auch in einer lebensfeindlichen Umgebung überleben können. Das mache diese Gewächse für Mensch und Vieh zunehmend ungenießbar und könne sogar zu Vergiftungen führen.
Getreide verändert sich
Als Beispiele für die veränderte Entwicklung einiger Pflanzen führt die Expertin Getreidesorten wie Gerste, Mais oder Hirse an. Bei anhaltender Hitze würden sie die Umwandlung bestimmter Chemikalien inzwischen verlangsamen oder einstellen, um robuster zu werden.
Eine Folge davon sei ein erhöhter Nitratgehalt, der für uns Menschen und für Tiere schädlich ist. In den ärmeren Teilen der Welt beliebte Sorten wie Maniok, Flachs, Mais und Sorghumhirse, hätten Blausäure angereichert.
Bei Hitze mehr Säure, bei Nässe mehr Pilze
Auf der anderen Seite, so McGlade weiter, fördert die zunehmende Feuchtigkeit durch Dauerregen und Überschwemmungen das Wachstum von Pilzen. In ostafrikanischen Städten müssten bereits große Mengen als Mais- und Samenkörner verbrannt werden, weil sich dort ein schwarzer Schimmel gebildet hatte. Wären die Körner zu Mehl weiterverarbeitet worden, hätte der Pilz seinen Weg in Teigwaren gefunden.
Teils drastische Folgen
Jede Art von Kontaminierung kann schwerwiegende Folgen haben: Die Wissenschaftlerin geht davon aus, dass die Toxine mitunter zu Atembeschwerden und Fehlgeburten, zu Wachstumsproblemen bei Föten und Kindern, zu Störungen im Immunsystem sowie zur Bildung von Krebszellen oder zu einem neurologischen Zusammenbruch führen. Es gebe zudem Beweise, dass ein Kontakt mit Pilzgiften und Blausäure tödlich sein kann.
Globaler Trend
Schon heute sollen etwa 4,5 Milliarden Menschen in den Entwicklungsländern unkontrollierten und nicht überwachten Mengen von Pilzgiften ausgesetzt sein. In Afrika seien Toxine in Getreide vor allem südlich der Sahara, inzwischen aber auch im Norden und Süden des Kontinents gefunden worden.
In Brasilien und anderen Teilen Lateinamerikas, ja sogar eigentlich auf dem gesamten Globus, ist laut McGlade gleichermaßen eine Zunahme der Giftstoffe zu verzeichnen. Selbst Getreide in Europa und Nordamerika sei betroffen. Dank Frühwarn- und Erkennungsmechanismen könnten die Landwirte in den Industriestaaten jedoch schnell reagieren.
Dagegen müssten die Bauern aus Entwicklungsländern die Ernte einfahren, die sie gesät haben. Werden dann Gifte oder Pilze gefunden, bleiben sie auf ihre Ware sitzen und die Menschen verlieren das Vertrauen in ihre Güter.
In Gebieten wie Kenia und Ostafrika würden sich die Leute deswegen von Gewächsen wie Augenbohnen ernähren, die am Straßenrand sprießen. Das UNEP habe allerdings festgestellt, dass sich in diesen Pflanzen ebenfalls Toxine ansammeln.
Düstere Aussichten
Uns Verbrauchern gibt Jacqueline McGlade den Rat, Druck auf die Lebensmittellieferanten auszuüben, damit keine konterminierten Pflanzen in unsere Nahrungskette gelangen – nicht zuletzt, weil sich das Problem durch den Klimawandel verschärfen wird.
Bei einem Anstieg der globalen Temperatur um mehr als 3 Grad Celsius, würden „70 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion weltweit von zu viel oder zu wenig Regen betroffen sein“. Deshalb sei es wichtig, dass die Industrie zusammen mit den Bauern Getreidearten entwickeln, die sowohl dürre- als auch pilzresistent sind.